■ Kommentar: Pechschwarzer Tag
Als Hans Otte, der Gründer und Leiter der renommierten Bremer Festivals „Pro Musica Antiqua““ und „Pro Musica Nova“, die seit 1959 in zweijährigem Wechsel stattfanden, aus Krankheitsgründen 1983 den Sender verließ, kommentierte der Komponist Hans Joachim Hespos: „Ein schwarzer Tag in der Geschichte des Rundfunks! Hans Otte geht!“. War dieses Schwarz noch ein ganz kleines bisschen grau, weil es ja immerhin kompetente Nachfolger für Otte gab, so ist der Tag in der Geschichte des Rundfunks heute pechschwarz: die Festivals wird es nicht mehr geben. Die noch immer anhaltenden Aussagen und Beschwichtigungsversuche, man suche nach Sponsoren, um die 50 000, Mark die nur noch für die Festivals da sein sollen, auf die erforderlichen, mindestens bisher gezahlten ca. DM 300 000,- aufzustocken, sind in der gegenwärtigen Lage eine Illusion.
Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Verantwortlichen ein existentielles Interesse daran haben, die Festivals zu retten. Denn, und das ist die eigentliche kulturpolitische Tragik, wer so kürzt, hat das Wichtigste einfach nicht verstanden: dass mindestens mit „Pro Musica Nova“ nicht irgendeine Aktivität beendet wird, die der Sender sich jahrelang geleistet hat, sondern die Identität des Senders irreparabel zerstört wird. Im Bewußtsein vieler Komponisten, Interpreten und Besucher ist Radio Bremen identisch mit seinem berühmtesten Festival, das heißt, wenn das nicht mehr ist, hat der Sender sein eigentliches Profil verloren.
Wir sprechen hier nicht einmal von den kulturellen Verpflichtungen für die Region, die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesetz ergeben und die nun nicht mehr geleistet werden. Wir sprechen auch nicht von der weltweiten Peinlichkeit, mit der man hier glaubt, ungestraft ein solches Festival als einen unerträglichen „Kostenfaktor“ abzuhaken, wir sprechen auch nicht vom kulturellen Imageverlust für die ganze Stadt. Wir sprechen von den Abwicklern, die von außen kommen und glauben, Radio Bremen wird es geben ohne seine Festivals. Das wird nicht der Fall sein.
Ute Schalz-Laurenze
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