piwik no script img

KommentarVerdächtig schnell neu

■ Warum die SPD vorgibt, bereits gelernt zu haben, was sie noch lernen muss

In atemberaubendem Tempo scheinen Hamburgs Sozialdemokraten bereits dort angekommen zu sein, wo sie nie hinwollten: in der Opposition. Zumindest verbal.

Die Salven der Selbstkritik prasselten nur so auf dem SPD-Parteitag, und niemand ging in Deckung. Filz? Ja, gibt's wohl doch. Selbstherrlichkeit? Damit müsse nun aber Schluss sein. Grundlegende Fehler in Bildungs- und Sozialpolitik? Nie wieder. Wir haben verstanden, lautet die schnell formulierte Losung der neuen Sozialdemokratie.

Verdächtig schnell, verdächtig neu. Wer so flugs mit all diesen schonungslosen Analysen zur Hand ist, muss dem staunenden Publikum zunächst erklären, welcher Zaubertrank über Nacht so klug macht.

Hamburgs real existierende Sozialdemokratie hat, diesen Argwohn muss man bis zum Beweis des Gegenteils hegen, kein bisschen dazugelernt. Es ist das pure taktisch versierte Machtstreben, das sie jetzt Asche über ihre Häupter streuen lässt. Lieber morgen als übermorgen würde die SPD wieder in Hamburg regieren wollen, und sie würde sich nicht geändert haben. Denn Regeneration braucht Zeit.

Die Chance dazu hat sich die SPD selbst verdient. Die neue politische Aufgabe aber, der sie sich noch ernsthaft bewusst werden muss, lautet: hinterher sozial aufräumen. Denn an dem Scherbenhaufen, den der Rechtsblock dereinst hinterlassen wird, trägt die SPD eine gehörige Mitschuld. Durch langjährige Politik, die Schill überhaupt erst möglich machte.

Sven-Michael Veit

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen