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Kommentar zur ResidenzpflichtGrenzenlose Freiheit für Flüchtlinge

Kommentar von Sebastian Heiser

Mit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge zwischen Berlin und Brandenburg zeigen SPD und Linke, dass sie Menschenrechte ernst nehmen.

Berlin und Brandenburg zeigen, wie zwei rot-rote Landesregierungen erfolgreich zusammenarbeiten können: Zumindest in diesen beiden Bundesländern gilt nun Reisefreiheit für Asylbewerber. Die menschenfeindliche Einsperrung innerhalb eines Landkreises ist vorbei. SPD und Linke zeigen damit zweierlei: wie viel Einfluss Bundesländer bei der Ausführung von Vorgaben des Bundes haben können, wenn sie wollen; und: wie unsinnig manche dieser Vorgaben sind.

Die offizielle Begründung für die Residenzpflicht: Flüchtlinge, die um Asyl bitten, sollen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Status für die Behörden stets erreichbar sein, schließlich erhalten sie auch Leistungen vom Staat. Außerdem sollen sie für ihr Asylverfahren erreichbar sein. Doch das ist offenkundiger Blödsinn. Denn Hartz-IV-Empfänger, die sogar mehr Geld erhalten als Asylbewerber, dürfen sich schließlich auch frei bewegen. Und bei Deutschen wird die Erreichbarkeit für die Behörden - wie etwa das Finanzamt - ja auch nicht dadurch sichergestellt, dass sie die Stadt nicht verlassen dürfen.

Wenn die Residenzpflicht aber nicht notwendig ist, um die offiziell genannten Ziele zu erreichen - welches Ziel hat sie denn dann eigentlich? Es bleibt nur noch die Absicht, Asylbewerber einzuschüchtern und durch möglichst inhumane Lebensbedingungen den Anreiz zu verringern, nach Deutschland zu flüchten. Die beiden rot-roten Landesregierungen zeigen dagegen, dass sie Menschenrecht ernst nehmen. Es sollte noch viel mehr Bundesländer geben, die so regiert werden.

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2 Kommentare

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  • S
    Sven

    Nachtrag: vielleicht solltest Du, Sebastian Heiser, das noch zu deiner ganz persönlichen "Vierte-Gewalt-Bilanz" hinzufügen:

     

    einen Kommentar, der es schafft, im Titel durch einen zweifelhaften Begriff "grenzenloser Freiheit" - vielleicht nicht gewollt, aber das Ergebnis zählt! - Asylsuchende zu verhöhnen, und dann im Text zudem noch die organisierte Herabwürdigung und Zurichtung von SGBII-Leistungsberechtigten durch die Staatsgewalten verkennt und verharmlost.

     

    Mir wird übel - wo bleiben bloß die Fünfte, Sechste und Siebente Gewalt, denn wie es um die Vierte steht, hast Du uns ja gerade eindrücklich demonstriert.

  • S
    Sven

    Wer hat sich denn bitte den Titel ausgedacht: "Grenzenlose Freiheit für Flüchtlinge"? Ist das ein Versuch, lustig zu sein? Erzwungenes Leben im Lager, Arbeitsverbote, Abhängigkeit von Essensgutscheinen und/oder Lebensmittelpaketen, und ein wenig - soweit es denn das Geld erlaubt - zwischen Brandenburg und Berlin herumreisen: ist das tatasächlich der Begriff von "grenzenloser Freiheit", den die taz vertritt?

     

    Und dann dieses bodenlose Unwissen in Bezug auf die Aufenthaltspflichten von ALG2-Berechtigten: nein, sie dürfen sich eben nicht frei bewegen, sogar Leistungsbezieher, die aufgrund von Schulbesuch oder mit einem Kind unter drei Jahren gar nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, benötigen für Ortsabwesenheiten die Zustimmung ihres Sachbearbeiters, und verfügen für solche Ortsabwesenheiten über genau drei Wochen im Jahr.

     

    taz, was geeeht eigentlich - sind nur Amateure bereit, für dich zu arbeiten?