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Kommentar zur PräimplantationsdiagnostikBioethische Zäsur

Wolfgang Löhr
Kommentar von Wolfgang Löhr

Sollte es zur Zulassung der PID kommen, wäre dies eine bioethische Zäsur. Bisher unterlagen künstlich gezeugte Embryonen in Deutschland einem besonderen Schutz.

D ie Bundestagsdebatten über bioethische Fragestellungen lassen sich zu Recht als Sternstunden des Parlaments bezeichnen. Der Grund ist banal: Wie auch am Donnerstag bei der Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird dann zumeist der Fraktionszwang vorübergehend aufgehoben. Die gewählten Volksvertreter, die von der Verfassung her ja eigentlich nur ihrem eigenen Gewissen verantwortlich sind, dürfen ohne Druck ihrer Fraktionsführung frei reden und entscheiden.

Sogar Bündnisse in Form von gemeinsamen fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen sind da plötzlich erlaubt. Bei anderen Themen, für die der Fraktionszwang gilt - selbst wenn sie weitaus weniger wichtig sind -, könnte dieses Verhalten ganz schnell das Ende der politischen Karriere eines Abgeordneten bedeuten. Bei der Bundestagsdebatte über die PID drängte sich wieder einmal die Frage auf: Warum nur wird eine Gewissensentscheidung nicht viel öfter erlaubt? Der Gesellschaft würde das jedenfalls guttun.

Nicht banal ist hingegen die Frage, die im Bundestag jetzt zur Entscheidung ansteht: Soll die PID in Zukunft gesetzlich erlaubt sein und, wenn ja, in welcher Form? Soll es eine Einschränkung nur bei lebensbedrohlichen Erbkrankheiten geben, oder soll die Embryonenselektion zum Beispiel wie in Großbritannien auch bei Erbkrankheiten zulässig sein, die erst im fortgeschrittenen Alter und dann auch nur vielleicht auftreten?

Bild: taz

WOLFGANG LÖHR ist Wissenschaftsredakteur der taz.

Sollte es zu einer gesetzlichen Zulassung der PID kommen, würde dies eine bioethische Zäsur für Deutschland bedeuten. Denn bisher galt im Deutschen Bundestag: Auch künstlich gezeugte Embryonen in der Petrischale unterliegen einem besonderen Schutz, sie dürfen nicht vernichtet werden. Das war der Grundgedanke, auf dem das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1991 aufbaute.

Auch das Stammzellengesetz von 2002 sowie dessen Novellierung sechs Jahre später verbot ohne Ausnahme die Vernichtung von Reagenzglasembryonen. Sollte die PID erlaubt werden, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese Regelungen fallen.

Denn mit welchem Argument soll man einem Wissenschaftler noch verbieten können, aus aussortierten Embryonen Stammzellen für die Forschung zu gewinnen? Die Embryonen landen doch eh im Mülleimer, dann können sie doch wenigstens noch für einen guten Zweck genutzt werden. So oder so ähnlich wird dann die Antwort sein.

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Wolfgang Löhr
Redakteur
Jahrgang 1955, war von 1993 bis Ende 2022 Wissenschaftsredakteur der taz. Er hat an der FU Berlin Biologie studiert. Vor seinem Studium hatte er eine Facharbeiterausbildung als Elektromechaniker gemacht, später dann über den zweiten Bildungsweg die Mittelere Reife und am Braunschweig-Kolleg die allgemeine Hochschulreife nachgeholt.
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8 Kommentare

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  • FN
    Floda Nashir

    Und bevor hier wieder alle die Menschenrechte auspacken: die gelten nur für Menschen, nicht für Föten oder Embryos, und menschliches Leben beginnt mit der Geburt -- das kann doch so unverständlich nicht sein.

  • FN
    Floda Nashir

    Fraktionszwang? Sowas darf es geben? In einer Demokratie, in der der Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet ist? Verboten gehört das, und nicht als gottgegeben hingenommen.

  • P
    Paria

    Und wieder wird zwischen wertem und unwertem Leben entschieden. Die Geschichte wiederholt sich eben, solange man nichts aus ihr lernt.

    Es wird noch richtig gruselig in unserer Gesellschaft. Aber bis die Mehrheit das merkt, ist es dann schon zu spät...

  • W
    Waldrabe

    Bei einer deutschen Gesetzeslage, die einen Menschen bereits als befruchtete Eizelle als solchen anerkennt, Eltern aber bei einer Totgeburt unter 500g die Existenz des Fötus überhaupt abspricht, kann ich mich eines gewissen Unbehagens im Rahmen der Diskussion zur PID nicht erwehren. Ich glaube, dass eine grundsätzliche und ethische Betrachtung der Gesamtthematik im Zusammenhang mit PID, ungeborenem Leben sowie individueller und gesellschaftlicher Verantwortung vor dem Hintergrund den Eltern das letztendliche Entscheidungrecht zu lassen, dringend von Nöten ist.

  • M
    max

    lieber mar, ich danke dir für deinen kommentar zu "runzbart". genau meine gedanken.

     

    ansonsten danke ich herrn löhr für den kommentar, denn ich denke, dass viele menschen es sich viel zu leicht machen. allein der gedanke daran, dass bislang der vorschlag die meisten stimmen hat, nach dem irgendwelche erbkrankheiten ausreichen sollen, um das kind zu selektieren, macht mich schaudern. von den befürworter dieses vorschlages ist bis dato niemand in der lage zu sagen, wo die grenzziehung vorgenommen werden soll. das sollen dann bestimmt iregndwelche "experten" bestimmen. aber sicher ist jetzt schon, dass es ausreichen soll, wenn die erbliche "krankheit" erst nach einigen lebensjahrzehnten auszubrechen droht.

    wann ist denn ein leben nach diesen maßstäben lebenswert? erst wenn ich in bester gesundheit mindestens die 70 erreiche? und alles andere ist "krank" oder jedenfalls "krank genug", um selektiert zu werden?

    mir macht das ehrlich angst ...

  • B
    Bernd

    Der Kommentar geht davon aus, eine grundsätzliche Ablehnung von PID und Stammzellforschung sei notwendigerweise der Ausgangspunkt, von dem aus vor einer Aufweichung des Embryonenschutzgesetzes gewarnt werden müsse.

     

    Aber warum eigentlich? Bei der PID müssen doch die Interessen und Nöte von (werdenden) Eltern im Mittelpunkt stehen - wie beim Thema Abtreibung auch -, und bei der Stammzellforschung die der von jenen Krankheiten betroffenen, in deren Fällen medizinische Quantensprünge zumindest möglich erscheinen. Wolfgang Löhr bleibt leider jedes Argument schuldig, warum welche übergeordneten Interessen oder Wertvorstellungen Vorrang haben sollten.

     

    Dass letztlich auch ökonomische Interessen von Forschenden und Pharmaindustrie dahinterstehen - geschenkt, so isses halt im Kapitalismus. Das Wissen um diese Interessen begründet zwar eine gesunde Skepsis der Kranken gegenüber den Heilsversprechen der Branche, nicht aber das Verbot der entsprechenden Forschung.

     

    Die PID sollte eine legale Möglichkeit für Eltern mit entsprechenden Erbanlagen für schwere Krankheiten sein. Ob sie diese Möglichkeit dann nutzen wollen, bleibt ihnen überlassen. Ihnen diese Möglichkeit zu nehmen, aber Spätabtreibungen bei entsprechender Pränataldiagnostik zuzulassen (die derzeitige Gesetzeslage), ist jedenfalls das allerletzte.

  • M
    mar

    @runzbart: Ich hoffe sehr, dass *Deine* Menschenrechte nicht davon abhängen, ob sich gerade jemand in Dich "hineinversetzen" kann!!!

     

    Bei diesem Thema ist allen Lösungen zu misstrauen, die schnell, eindeutig und ohne Zweifel getroffen werden. Wer dabei keinen inneren Widerstreit durchstehen muss, hat es nicht verstanden. Ich selber setze jedesmal neu an bei den Fakten und sage: Es gibt das Ausland, wo die Paare hingehn, und es gibt die Abtreibung sowieso, also bitte, urteilen wir vom Ergebnis her. Und dann kommt das innere Aber. Und irgendwann bin ich stumm. -- Ich würde vermutlich trotzdem die Hand heben für die Erlaubnis der PID, aber nicht, weil ich überzeugt bin, die "richtige Lösung" zu haben. -- Naja, neuerdings kann man sich ja auch der Stimme enthalten, wenn man eigentlich _für_ eine Sache ist :-)))

  • R
    runzbart

    was wäre so verwerflich daran forschern zu erlauben mit zellklumpen zu experimentieren?

    der schutz von embryonen ist doch sowieso nur religiös-pseudowissenschaftlich motiviert, da der mensch die krone der schöpfung sein soll.

    vor 1000 jahren hätte man wahrscheinlich selbst jungen föten noch das menschsein abgesprochen, weil sie aussehn wie kaulquappen.

     

    menschenrechte ergeben sich für mich erst aus einem empathischen gefühl heraus. in einen zellklumpen kann ich mich aber nicht hinein versetzen.

     

    solange zellklumpen keine gefühle und empfindungen haben, kann man sie soviel untersuchen und daran rumforschen, wie man will.

     

    es geht in der debatte ja nicht um designerbabys oder sowas, da die genetischen grundlagen immer noch von den eltern kommen.