Kommentar zum Kita-Navigator: Der ganz normale Wahnsinn
Der Kita-Navigator ist da – nur funktioniert er leider nicht so, wie er sollte.
Wenn das Ding funktionieren würde, wäre es einer der größeren Würfe von Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD): der Kita-Navigator, eine Art Onlineportal der Jugendverwaltung, auf dem alle Kitas fleißig, akribisch und stets aktuell vermerken sollen, wie viele Plätze gerade frei sind für Kinder von notorisch verzweifelten Eltern auf Kitaplatzsuche. Tatsächlich ist dieser Navigator seit Mittwoch freigeschaltet – allein, er tut nicht, was er soll, nämlich freie Plätze anzeigen.
Zum Beispiel die Kita Pankekinder 2 in Pankow. Der Kita-Navigator weist freie Plätze ab November aus, also ab sofort. Das kling gut. Gerade mitten im Kitajahr ist es oft besonders schwierig, einen Platz zu bekommen – dann sind die durch die Schulkinder im Sommer frei gewordenen Plätze längst belegt. Einen Klick weiter auf der Homepage der Pankekinder 2 heißt es dagegen, man habe zwar freie Plätze – aber, wenig überraschend, erst ab Sommer 2020, also zum Wechsel des nächsten Kitajahres. Wer auf die Warteliste aufgenommen werden möchte, möge eine Mail schreiben oder anrufen.
Also doch wieder das Übliche, nämlich der ganz normale Wartelistenwahnsinn: Alle lassen sich bei möglichst vielen Kitas gleichzeitig registrieren und sind dann verzweifelt, weil sie irgendwo auf dem scheinbar aussichtslosen Platz 382 stehen.
Genau da soll der Kita-Navigator eigentlich ansetzen – weg von der dezentralen Listenwirtschaft, bei der jede Kita nur bis zur eigenen Gartenpforte gucken kann, hin zu einem zentralen Platzerfassungssystem, das die aufgeblähten Wartelisten bereinigen würde.
Scheeres hatte am Donnerstag, nach einigen kritischen Medienberichten, an die Adresse der Kitas gemahnt, es komme jetzt darauf an, „dass die Kitaträger mitziehen“ und ihre Daten aktualisierten.
Doch ob die das tun? Mag sein, dass Scheeres versucht, die Kitas mit diesem Portal unter Druck zu setzen – denn sie kriegen den Frust der jetzt erst recht verwirrten Eltern als Erste ab. Kann aber auch sein, dass die Kitas trotzdem weiter mit ihren Listen in der Schreibtischschublade operieren. Geschwisterkinderbonus, Förderkind, was auch immer – in den meisten Kitas ist eh nie wirklich ein Platz frei. Könnte sein, dass die Eltern am Ende mehr rotsehen, als Scheeres lieb sein kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?