Kommentar zum Karneval: Profitieren, ohne zu unterstützen
Das Verhalten des Senats zeigt, wie unwichtig ihm der Karneval und seine ProtagonistInnen tatsächlich ist.
D as war ein kurzer Freudenrausch für die vielen tausend TeilnehmerInnen des Karnevals der Kulturen – und ein böses Erwachen. Es sei geplant, die Umzugsgruppen künftig finanziell zu fördern, hieß es kürzlich aus dem Büro des Kulturstaatssekretärs. Nein, sagt nun Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD): stimmt nicht. Sie habe dafür kein Geld.
Das ist bitter für die Gruppen, deren Mitglieder oft aus eigener Tasche in das Event investieren – das Berlin, wie die Investitionsbank vergangenes Jahr errechnete, ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von über 50 Millionen Euro beschert. Dabei steckt die Stadt gerade mal 270.000 Euro aus dem eigenen Haushalt in das Multikulti-Fest, das allein mit dem Umzug jährlich über 700.000 Besucher anlockt.
„Ausbeutung“ sei das
„Ausbeutung“ sei das, hatte die afrobrasilianische Tanzgruppe Afoxe Loni letztes Jahr konstatiert, dass Berlin zwar vom ehrenamtlichen Engagement seiner migrantischen Bewohner derart profitiere, sie dabei aber nicht unterstützen will. Zum ersten Mal wird die Gruppe, die den Karneval 15 Jahre lang anführte, deshalb nun nicht dabei sein.
Andere werden folgen, das steht fest. Nicht nur, weil sie die Beteiligung finanziell nicht stemmen können. Auch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, dürfte viele stören. Und das hat Senatorin Kolat nun verstärkt: nicht nur, weil sie in einer Stadt, die Milliarden für einen Flughafen versenkt, nicht einige zehntausend Euro für das Weltkulturfest aufbringt. Sie hat sich auch mit dem Dementi der Nachricht, es gebe Geld, mehrere Tage Zeit gelassen. Das zeigt, wie unwichtig der Karneval und seine ProtagonistInnen dieser Stadt tatsächlich sind.
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