Kommentar zum Gebetsraumprozess: Selbst der Bundestag hat einen Gebetsraum
Wer religiöse Vielfalt nur als Pulverfass betrachtet, verschließt sich der Realität.
Jahrzehnte nach dem Beginn der Einwanderung, Jahre nachdem eine auch christdemokratische Regierung beschlossen hat, diese Einwanderer als Teil unserer Gesellschaft zu akzeptieren, hat kürzlich erstmals ein muslimischer Berliner vor Gericht um die Einrichtung einer Gebetsmöglichkeit an seiner Schule gestritten. Und damit eine Debatte ausgelöst, über die man sich nur wundern kann.
Es ist richtig, darüber zu diskutieren, ob Religion an staatliche Einrichtungen gehört. Doch ist es auch richtig, dabei so zu tun, als sei religiöse Vielfalt in jedem Fall eine Art schwelendes Pulverfass? Wer je den Deutschen Bundestag besichtigt hat, weiß, dass es da einen - durchaus genutzten - Andachtsraum gibt, vom Künstler Günther Uecker stilvoll so gestaltet, dass er von Gläubigen verschiedener Religionen genutzt werden kann.
Als bei einem Kongress über interkulturelle Öffnung von Verwaltung in Berlin - eines der großen integrationspolitischen Ziele der rot-roten Landesregierung - ein britischer Polizist ganz selbstverständlich berichtete, dass zur Interkulturalität der Polizei in seinem Land auch die Einrichtung von Gebetsräumen etwa für muslimische KollegInnen gehöre, wurde hierzulande mancher Zuhörer aber doch etwas blass um die Nase. Es ist in Berlin in letzter Zeit viel darüber diskutiert worden, ob Religion an die Schulen gehört. Das ist gut. Doch man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dabei letztlich um die Frage geht: Welche Religion?
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