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Kommentar zum FahrradbeauftragtenAuf der falschen Spur

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Berlin streicht die Stelle des ehrenamtlichen Beauftragten für den Radverkehr. Doch der hatte ohnehin nichts zu melden.

B raucht eine Stadt mit stetig wachsendem Radfahreranteil einen Fahrradbeauftragten? Natürlich. Immerhin werden gut 15 Prozent aller Wege in Berlin inzwischen mit dem Rad zurückgelegt. Und wer über den Verkehrsmix der Zukunft reden will, kommt um die umweltfreundlichen Zweiräder erst recht nicht herum. So weit, so offensichtlich.

Doch braucht ein Senat, der die sowieso schon knappen Gelder für Radwege kürzen wollte, einen Fahrradbeauftragten? Natürlich nicht. Daher ist es nur konsequent, wenn die Senatsverwaltung für Verkehr den Posten als überflüssig ansieht und ihn nun endgültig aus dem Sattel schmeißt. Alles andere wäre Bürgertäuschung.

Kein Geld, viel Arbeit

Bis zu einem gewissen Grad war der Radbeauftragte das schon immer: Richtig viel zu melden hatte er nicht, richtig Geld bekam er auch nicht; gleichzeitig hatte er aber so viel zu tun, dass er nie mit seiner Arbeit hinterherkam. Der vorletzte Fahrradbeauftragte – Benno Koch – war gleichzeitig Chef der hiesigen Radfahrerlobby ADFC, und man wusste nie, für wen er eigentlich sprach. Sein Nachfolger wiederum sprach so wenig, dass ihn fast niemand kannte. Vermissen wird den Radbeauftragten also kaum jemand.

Auf der symbolischen Ebene ist die Abschaffung jedoch nicht zu unterschätzen. Rot-Schwarz vermittelt den Radlern der Stadt, dass ihre Anliegen und vor allem ihre Sorgen um die Sicherheit im immer dichter werdenden Straßenverkehr für den Senat nicht von Bedeutung sind. Im Umkehrschluss heißt das auch: freie Fahrt für hirnfreie Bürger. Wer sich schon länger fragte, was sich durch eine große Koalition ändert: Hier ist ein Beispiel.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

1 Kommentar

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  • A
    Arnold

    Auch wenn die Abschaffung des Fahrradbeauftragten nur symbolisch von Bedeutung ist, so zeigt sie doch, in welche Richtung Verkehrspolitik in Berlin und rot-schwarz hingeht: 1/2 Mrd. wird in eine fragwürdige und umstrittene Verlängerung des Autobahn-Stadtrings investiert (bei rückgängigem Autoverkehr) und bei den oft mangelhaften Fahrradwegen muss noch für die 5,5 Mio gekämpft werden, damit sie nicht gekürzt werden (bei zunehmendem Fahrradverkehr). Die Autolobby lässt grüssen beim Senat.

    Die SPD hat nach der Wahl entgegen ihrer Ankündigung vor der Wahl sich wieder mal zugunsten der CDU entschieden, um diese umweltfeindliche Politk durchzusetzen und dadurch dafür gesorgt, dass Berlin 5 weitere Jahre verliert in Bezug auf eine angemessene Umweltpolitik. Ich bezweifele, dass in diesem Senat irgendjemand an verantwortlicher Stelle Fahrrad fährt und somit wieder die Autolobby bestens ihre Interessen durchsetzt. Schade für die vielen Radfahrer, die inzwischen auf Berlins Strassen fahren und schade für die zahlreicheren Opfer dieser autofreundlichen 'Verkehrspolitik', die eben auch dem öffentlichen Nahverkehr eher weniger als mehr Mittel zur Verfügung stellt.