Kommentar zu linker Fahndungs-Aktion: Der Kampf um die Deutungshoheit
Auf die Fahndung nach G20-Gegnern reagieren Aktivisten mit der Veröffentlichung von Polizisten-Fotos. Das ist nicht schlau – der Skandal des Tages aber liegt woanders.
Auch wenn die Polizeigewerkschaften schäumen und Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) alle „politischen Linksextremisten“ pauschal eines Weltbilds bezichtigt, das nur aus „Hass und Gewalt“ bestehe: Dass auf der linken Internetplattform Indymedia am Montagmorgen Bilder von Polizisten veröffentlicht wurden, die im letzten Jahr an der versuchten Räumung der Rigaer Straße beteiligt waren, ist nicht der politische Skandal des Tages.
Klar: Die richtige Antwort auf die am Montag begonnene Öffentlichkeitsfahndung der Hamburger Polizei in Sachen G20-Gipfel ist die Aktion nicht. Geboten wäre es, die Aufmerksamkeit erneut auf die Polizeigewalt während des Gipfels zu lenken und politische Verantwortliche zu benennen.
Denn die größte Gefahr, die von der Öffentlichkeitsfahndung wie auch von den kürzlich durchgeführten Razzien für die Gipfelgegner ausgeht, liegt nicht in dem unmittelbaren Repressionsdruck. Sie liegt darin, dass die Sicherheitsbehörden mit ihrer Eskalationsspirale die Deutungshoheit über die Geschehnisse rund um den Gipfel zurückgewinnen. Dass also statt über Polizeigewalt, Fehlinformationen und verschleppte Aufklärung nur noch über Straftaten der Gipfelgegner gesprochen wird.
Dem gälte es, politisch etwas entgegenzusetzen. Die Forderungen etwa nach einer umfassenden Kennzeichnungspflicht für Polizisten oder unabhängigen Polizeibeauftragten sind geeignet, die gesellschaftliche Debatte zu öffnen – die „Fahndungsfotos“ von Polizisten aus der Rigaer Straße sind es nicht.
Die Kritik an dieser Aktion ist aber nicht mehr als ein Nebenschauplatz. Der tatsächliche Skandal des Tages liegt woanders. Er besteht nach wie vor darin, dass die Polizei zu einer öffentlichen Hetzjagd auf Menschen aufruft, die eine Bierflasche geworfen oder aus einem Supermarkt getragen haben – Taten, die man nicht gutheißen muss, die aber in keinerlei Verhältnis zu dieser Maßnahme stehen. Ganz besonders nicht, wenn sich die rund 500 mit offenen Haftbefehlen untergetauchten Rechtsextremisten in Deutschland weiterhin nicht vor einer solchen Fahndung fürchten müssen.
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