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Kommentar zu VersicherungsprämienEnde der Benachteiligung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Statistische Berechnungen reichen nicht aus, um unterschiedliche Versicherungsprämien von Männern und Frauen zu rechtfertigen. Ein wegweisendes EU-Urteil.

N ur weil man es gewohnt ist, muss es nicht richtig sein. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat unterschiedliche Versicherungsprämien für Männer und Frauen jetzt zu Recht als unzulässige Diskriminierung gerügt. Es ist ein wegweisendes Urteil.

Zum ersten Mal haben die EU-Richter damit entschieden, dass statistische Berechnungen nicht ausreichen, um eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen zu rechtfertigen. Es mag ja sein, dass Frauen häufiger zum Arzt gehen und mehr Pillen schlucken. Doch warum soll auch eine Frau, die Arztpraxen und Apotheken meidet, höhere Beiträge zahlen?

Die Bildung von Risikogruppen nach dem Geschlecht ist bei den Versicherungsunternehmen nur deshalb so beliebt, weil die Geschlechtszugehörigkeit leicht feststellbar ist - leichter jedenfalls als Freizeitgewohnheiten und Drogenkonsum. Doch Bequemlichkeit kann keine Diskriminierung rechtfertigen.

Bild: taz

CHRISTIAN RATH ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg.

Für eine Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit ist dies erstaunlicherweise schon längst anerkannt. Die sogenannten Ausländertarife bei der Kfz-Versicherung sind schon seit 1994 verboten, obwohl es statistisch belegbar war, dass nichtdeutsche Staatsangehörige höhere Schäden bei Unfällen verursachten. Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, dass den Frauen diese Diskriminierung so viel länger zugemutet werden konnte?

Die Versicherer malen nun wieder steigende Versicherungsprämien für alle an die Wand. Das unterstellt, dass nun alle Männer aus der privaten Krankenversicherung aussteigen, weil ihre Beiträge steigen - so dass sie für Frauen auch nicht gesenkt werden können. Ein realistische Annahme ist das nicht.

In einigen Jahren wird sich zeigen, dass Unisex-Tarife völlig normal und allseits akzeptiert sind. An gerechte Verhältnisse wird man sich schnell gewöhnen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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4 Kommentare

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  • G
    Gerhard

    Und wann fällt die Ungleichheit der Versicherungstarife zwischen »Normalbürgern« und Beamten?

  • KB
    K. Buck

    bei den Kfz-Versicherungen waren die tarife

    für Frauen meines Wissens nach niedriger,

    da sie weniger Unfälle verursachen.

  • G
    Gobrias

    Ob es nun wirklich gerecht ist wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln sei mal dahingestellt. Wenn für mich als Mann der ich statistisch 7 Jahre weniger Rente beziehe die gleichen Versicherungsbeiträge fällig werden wie für eine Frau kann ich das irgendiwe nur schwer als gerecht empfinden. Man könnte uns Männern solche politisch motivierten positiven Diskriminierungen übrigens wesentlich besser verkaufen wenn dann zum Beispiel auch der Kaskovorteil von Frauen bei der KFZ Versicherung wegfallen würde etc. .

  • J
    Jottka

    Argumentativ ein sehr unausgewogener Kommentar: Erstens geht es hier um privatwirtschaftliche (= nicht-staatliche) Verträge, bei denen niemand _gezwungen_ ist, sie abzuschließen.

    Zweitens bezahlt dann demnächst ein Mann für weniger Leistungsentnahme einen höheren Beitrag und das bei kürzerer Lebenserwartung. Warum sollte man den Aspekt der Lebenserwartung hier außen vor lassen? Ist doch wiederum ungerecht gegenüber den Männern.

     

    Ein mittelfristiger Aspekt der Änderung könnte sein, dass auch Frauen vermehrt scheinselbständig prekär beschäftigt werden, da die PKV-Beiträge für sie ja nun erschwinglich werden. Ein Bärendienst.

     

    Was die KFZ-Versicherung anbelangt reden Sie von Symptomen und nicht von Ursachen. Um hierüber auf Ihrer emotionalen Ebene eine „gerechte“ Aussage treffen zu können, müsste man soziale Aspekte einbeziehen und die Unfallzahlen noch gewichten. Wieviele Frauen kennen Sie, die Berufskraftfahrer (LKW, Zustelldienste, Busse und Bahnen) sind? Wieviele Männer und wieviele Frauen haben überhaupt eine Fahrerlaubnis? Wieviele Frauen fahren noch bei Glatteis oder Schnee? Gewichtung nach Jahresfahrleistung?

    Ohne das zu berücksichtigen könnten Sie auch gleich einen Dartpfeil auf ’ne Tabelle werfen.

    Männer können nämlich auch nichts dafür, dass Frauen insgesamt weniger km p. a. zurücklegen als Männer und daher statistisch seltener Unfallverursacher sein KÖNNEN.

     

     

    Derzeit geht es jedenfalls nur um Rosinenpickerei. Frauen per Quote in Aufsichtsräte aber nicht zwingend zur Bundeswehr und nicht zwingend in den Untertage-Abbau oder sonstige gefährliche Berufe.

     

    Meinetwegen kann man ja gerne auf die Einheitskrankenkasse hinarbeiten, privatwirtschaftliche Versicherungen gleich ganz abschaffen … an Individualentscheidungen und biologischen Unterschieden ändert man mit diesen an Planwirtschaft grenzenden Aktionen aber nichts.

     

    Mir fällt da nur noch ein: „Ich möchte, dass ihr mich von jetzt an Loretta nennt!“