Kommentar zu Tieren in Berlin: Elektrokarre anstatt Pferdekutsche
Quälerei! – schreien viele und fordern Pferdekutschen zu verbieten. Was außer Tierschutz noch gegen Tiere in der Stadt spricht, und was Elektromobilität damit zu tun hat.
Wenn ich Pferdekutschen im Berliner Straßenverkehr sehe, bekomme ich das Bedürfnis mich zu prügeln. Mit denen, die sich kutschieren lassen. Und mit Politikern, die es nicht schaffen, diese aus der Zeit gefallene Touri-Attraktion zu verbieten – und sie durch Elektrokutschen zu ersetzen.
Ja, genau: Elektrokutschen! Es gibt sie bereits in Berlin: Pferdekutschen ohne Pferde, elektrobetrieben und mit visionärer Ästhetik. Ein neues Modell soll am 14. Juli dem Markt vorgestellt werden, sagt Ines Krüger vom Tierschutzverein Berlin auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Sie unterstützt die Online-Petition, mit der sich im Mai 70.000 BerlinerInnen für ein Kutschenverbot ausgesprochen haben.
Aber die Politik spielt lieber Beamten-Pingpong: Weder Verkehrssenator Andreas Geisel, noch Justizsenator Thomas Heilmann fühlt sich für die Petition verantwortlich. Momentan liegt diese wieder auf dem Tisch von Geisel, erzählt Claudia Hämmerling, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen.
Grund für das Hin und Her könnte die anstehende Wahl sein. Gebuhlt wird um die Stimmen der Petitionsunterstützer und die der unzähligen Tierliebhaber dieser Stadt. Siehe das Bohai ums Hundeverbot an Seen. Oder das blühende Geschäft rund um Katz und Hund.
Warum Tiere in der Stadt? Das nervt! Gerade, wenn das Rad mal wieder durch Haufen von Pferdeäpfeln oder Schmierspuren von Hundescheiße balanciert werden muss. Mag sein, dass Pferde gequält werden, indem Vorgaben zur Tierhaltung nicht eingehalten werden.
Ich weiß nicht was Pferd und Hund denkt, aber man muss kein Tierschützer sein, um die Kutschen verbieten zu wollen. Sie sind nicht mehr zeitgemäß. London und Paris sind vorangegangen. Auch der New Yorker Bürgermeister will Pferdekutschen durch Elektrokarren ersetzen. Elektromobilität bekommt ein neues Gesicht: ein Pferdegesicht. Geräuschlos und Geruchsfrei. Lasst uns umsatteln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann