Kommentar zu Tempelhof: Wider die Symbolpolitik des Senats
Der Senat versucht, die Tempelhof-Abstimmung zum Symbol für die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu machen. Und widerspricht sich dabei selbst.
D iese Zahl wird im Abstimmungskampf vor dem Volksentscheid über das Tempelhofer Feld eine große Rolle spielen: 47.800. Um diese 47.800 Menschen ist Berlin laut dem Einwohnermelderegister im Jahr 2013 gewachsen. Aus der Statistik weiß man auch, dass diese 47.800 wahrscheinlich mehr als 20.000 Wohnungen belegen. Und jeder, der in letzter Zeit eine Wohnung gesucht hat, weiß aus Erfahrung: Die sind ein seltenes Gut geworden. Der rot-schwarze Senat folgert daraus in schwergewichtigen Worten: Wer gegen eine Bebauung von Tempelhof ist, verspielt die Zukunft der Stadt.
Das ist eine kluge Taktik, weil die Aussage erst mal so einfach klingt: Wir müssen jetzt bauen, was das Zeug hält – sonst herrschen in Berlin bald Londoner oder New Yorker oder Pariser Verhältnisse. Überall dort sind die Innenstädte auch für die Mittelschicht fast nicht mehr bezahlbar.
Doch ganz so eindeutig ist die Rechnerei nicht. Das gibt der Senat selbst zu: Denn trotz ähnlich hoher Einwohnerzuwächse in den vergangenen Jahren hält er an seiner bisherigen Prognose fest, dass Berlin bis zum Jahr 2030 um 250.000 Menschen wächst. Nur, müsste man inzwischen hinzufügen.
Doch ein Sieg bei der Abstimmung am 25. Mai ist für Bausenator Michael Müller (SPD) und den gesamten rot-schwarzen Senat politisch überlebenswichtig. Das Feld wird deshalb von ihnen auf ein Symbol für die vermeintliche Aufgeschlossenheit der Stadtgesellschaft für Veränderungen reduziert werden, auf eine imaginäre Größe. In Wirklichkeit ist es aber weit mehr als ein Symbol: Es ist eine echte Größe. Und es ist eine einmalige Gelegenheit, Innenstadt einmal anders zu denken als nur als Wohnraum. Auch dafür muss eine Stadtgesellschaft aufgeschlossen sein.
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