Kommentar zu Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger: Hilfe statt Strafe
Das Problem in Deutschland ist nicht, dass es zu viele Arbeitslose gibt, die nicht arbeiten wollen. Das Problem ist, dass es zu wenige freie Stellen gibt.
W arum gibt es eigentlich so viele Arbeitslose in Deutschland? Weil sie sich nicht genug anstrengen. Dieser Grundgedanke steckt jedenfalls hinter den Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger. Die Sanktionen bestrafen diejenigen, die nicht pünktlich zu ihren Terminen beim Amt erscheinen, die eine Weiterbildungsmaßnahme ablehnen oder keinen 1-Euro-Job machen wollen. Aber was würde es denn helfen, wenn ab morgen alle Hartz-IV-Empfänger all diesen Pflichten nachkämen? Wie stark würde die Arbeitslosigkeit dadurch sinken? Genau: Gar nicht.
Das Problem in Deutschland ist nämlich nicht, dass es zu viele Arbeitslose gibt, die nicht arbeiten wollen. Das Problem ist, dass es zu wenige freie Stellen gibt. Und es gibt genug Arbeitslose, die dringend einen Job suchen. Die zu allen Terminen pünktlich kommen. Die liebend gerne jede Weiterbildung machen, die sie wirklich für einen guten Job qualifiziert.
Sanktionen abschaffen
Unter diesen Umständen sollte die Aufgabe der Jobcenter sein, jene in Arbeit zu bringen, die das wollen und bei denen das realistisch ist. Und alle anderen? Warum sollte man die mit Sanktionen behelligen – wenn doch eh klar ist, dass es am Ende keinen Job für sie gibt? Mit „Fördern und Fordern“ – so wie es die rot-grüne Bundesregierung behauptete, die das System einführte – ist das jedenfalls nicht zu erklären. Es macht mehr den Eindruck, als ob es bei den Sanktionen darum geht, Langzeitarbeitslose zu diskriminieren und zu schikanieren. Was sie allerdings bräuchten, wäre Hilfe statt Strafe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch