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Kommentar zu Romneys AußenpolitikViel Rhetorik, wenig Inhalt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Außenpolitisch folgt Romney den Fußspuren von Obama. Ansonsten gibt es viel Blendwerk. Sein Kalkül ist: Der Wähler wird es erst nach der Wahl merken.

M itt Romney geht es gut. Eine Woche nach seinem erfolgreichen Debattenauftritt gegen Präsident Barack Obama sieht sich der Herausforderer in allen Umfragen im Aufwind.

Seine außenpolitische Rede vor Kadetten am Virginia Military Institute sollte zu diesem neuen, selbstbewussten Romney noch eine weitere Facette hinzufügen: Der kann auch Außenpolitik, der kann Präsident.

Das hat geklappt. Seine Rede war der inzwischen schon gewohnte Romney-Mix aus großer Rhetorik und wenig Substanz – und wieder mal wirft Romney Positionen über den Haufen, die er noch vor wenigen Monaten vertreten hat.

Erzählte er beim heimlich auf Video aufgenommenen Sponsorentreffen noch, er glaube nicht an eine Lösung des Nahostkonflikts, behauptet er jetzt, die Initiative für eine Zweistaatenlösung übernehmen zu wollen.

Bild: taz
BERND PICKERT

ist Auslands-Redakteur der taz.

Kritisierte er das militärische US-Engagement in Libyen, fordert er jetzt ein umso größeres in Syrien. Bestand er noch vor kurzem darauf, die Afghanen sollten gefälligst selbst um ihr Land kämpfen, kritisiert er jetzt, der Truppenabzug 2014 käme zu früh und lasse die afghanischen Alliierten im Stich.

In Romneys Rede ist nicht viel, was im Ausland große Sorgen auslösen müsste. Da ist das wiederholte Versprechen, die Militärausgaben weiter zu erhöhen, die Vergabe von US-Entwicklungshilfe an die Entwicklung freier Märkte zu koppeln und das Bündnis mit Israel noch stärker zu machen.

Ansonsten folgt Romney dem, was Obama bereits tut. Es ist, als riefe ein Kandidat für den Vorstand der Post aus, die Briefträger müssten endlich aufhören, die Briefe in den Gulli zu werfen.

Stimmt, würden alle sagen, Briefe gehören nicht in den Gulli. Und erst beim Nachdenken fällt auf, dass sie eigentlich auch bislang meist ankommen.

Romneys Kalkül: Bis dahin ist die Wahl vorbei. Könnte klappen.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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2 Kommentare

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  • A
    anke

    Briefe gehören nicht in den Gulli, stimmt. Nicht einmal dann, wenn sie den Adressaten so ärgern, wie dieser Artikel mich.

     

    Ich finde, Mitt Romney ist bei all seinem Geschwätz viel zu gefährlich, als dass man seinen Wahlkampf so kommentieren sollte, wie Bernd Pickert es tut. Der angeblich mächtigste Politiker der Welt ist nämlich auch nur ein Interessenvertreter. In dem Fall ein Interessenvertreter von Leuten, die für ungefährlich nur der halten kann, der nicht weiß, womit sie ihre Wahlspenden erwirtschaften.

     

    Eine "Position" jedenfalls kann es auch sein, den Nahostkonflikt für unlösbar zu halten – und genau deswegen wieder eine Initiative für die Zweistaaten-Lösung zu starten. Ich sehe da nicht unbedingt einen Widerspruch. Wer sagt denn, dass der Zweck der Initiative nicht darin besteht, den US-Waffenexport nach Israel zu fördern? Wenn der Versuch Frieden zu stiften, einmal mehr medienwirksam scheitert, ist das immerhin ein guter Grund, weiter massiv aufzurüsten. Für beide Seiten übrigens. Es gibt Schlimmeres als verbale Schlamperei und Lügen. Bestimmte Ziele zum Beispiel.In Romneys Rede ist nicht viel, was im Ausland große Sorgen auslösen müsste? Nun -bei Pickert vielleicht nicht. Bei mir schon. Ich erinnere mich dunkel, dass Israel erst jüngst den Erzfeind Iran endbesiegen wollte.

     

    Übrigens: Libyen ist nicht Syrien. Wer das militärische US-Engagement hier kritisiert, der kann durchaus ein umso größeres dort fordern ohne sich damit zu widersprechen. Und zwar nicht nur, weil der Befehl von 2011 vom politischen Gegner kam. Auch deswegen, weil es gewisse Unterschiede gibt in der strategischen Rolle der genannten Nationen. Einen Menschen wie Romney müsste man ins Kreuzverhör nehmen, dann würde man vielleicht ein wenig mehr erfahren. Herr Pickert tut das Gegenteil. Aus purer Egozentrik, denke ich.

     

    Noch einmal: Mitt Romney mag vieles sein, eines aber ist er ganz gewiss nicht: allein. Wenn er die Wahlen gewinnt, soll und wird er die Interessen von Leuten vertreten, die sehr viel Geld investiert haben in ihn und die in der Regel erwarten, dass sie etwas bekommen für ihre Kohle. Statt also dummes Zeug zu schreiben über angebliche Lügen Romneys, sollte Bernd Pickert sich fragen, was die feinen Unterschiede bedeuten könnten, die Romneys Redenschreiber machen. Der Typ mag ja selber nicht der Hellste sein, daraus aber zu schließen, seine Spindoctoren wüssten nicht, was sie ihm ins Ohr flüstern, ist ausgesprochen leichtfertig. Von journalistischem Anspruch im engeren Sinne zeugt es jedenfalls nicht.

  • D
    Debatte

    Jim Lehrer hat es ja immer wieder auf den Punkt bringen wollen, den die beiden Kandidaten unbedingt meiden wollen. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen euch beiden?