Kommentar zu Polizeichef-Entlassung: Ein klug gewählter Zeitpunkt

Die Entlassung von Klaus Kandt kam weniger überraschend als behauptet: Tatsächlich war die Veränderung an der Polizeispitze lange fällig.

Klaus Kandt und Margarete Koppers

Sind jetzt Polizeigeschichte: Klaus Kandt und Margarete Koppers Foto: dpa

Es war fast schon etwas unheimlich, wie lange sich Klaus Kandt als Polizeipräsident gehalten hat. Kandt, Ende 2012 unter CDU-Innensenator Frank Henkel ins Amt gekommen, hat viele Skandale überstanden, darunter die schweren Ermittlungspannen bei der Überwachung des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri und die mit Asbest verseuchten Schießstände der Berliner Polizei. Seine Entlassung ist also keineswegs so überraschend, wie jetzt von vielen Seiten – und ihm selbst – behauptet wird.

Eigentlich hätte man erwarten können, dass Rot-Rot-Grün, um eine neue Innen- und Sicherheitspolitik durchzusetzen, schon viel früher diese dafür wichtige Personalie anpackt. Möglichkeiten für eine nachvollziehbare Ablösung Kandts hätte es genug gegeben. Doch auch der aktuelle Zeitpunkt ist klug gewählt.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat so – knapp ein Jahr nach Bekanntwerden der gröbsten Amri-Pannen – den Eindruck vermieden, nur Köpfe rollen zu lassen und keine Aufklärung zu betreiben. Dazu kommt mit dem Abschied von Kandts Stellvertreterin am 1. März die wohl einmalige Chance, die Behördenspitze komplett neu aufstellen zu können.

Die beiden neuen Chefs werden viel zu tun haben: Die Stimmung unter den rund 17.000 Polizisten auf der Straße ist alles andere als berauschend, der Krankenstand hoch, die Kritik an Kandt aus der Behörde war zuletzt lauter geworden.

Der Personalabbau der vergangenen Jahre hat Spuren hinterlassen, und die von Rot-Rot-Grün versprochene Entlastung – sprich neue Stellen und Mitarbeiter – wird absehbar länger dauern als von vielen Polizisten und Politikern erhofft.

Die Stimmung unter den rund 17.000 Polizisten auf der Straße ist alles andere als berauschend.

Vor diesem Hintergrund kann Innensenator Geisel jetzt mit einer von ihm gewählten – möglicherweise liberaleren – Polizeispitze die Grundlage schaffen für (s)eine eigene rot-rot-grüne Innenpolitik. Was natürlich auch gewisse Risiken beinhaltet: Anders als bisher kann die Koalition künftig Fehler und Pannen bei der Berliner Polizei nicht mehr allein auf Ex-Innensenator Henkel schieben.

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