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Kommentar zu Erdogans RedeDoppelte Staatsbürger

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Erdogan hat eine Wahlkampfrede gehalten. Er verspricht den Türken eine doppelte Staatsbürgerschaft light. Die Bundesregierung hingegen macht keine Angebote.

N icht die Rede, die der türkische Premier Tayyip Erdogan am Sonntag vor Tausenden Anhängern und Fans in Düsseldorf hielt, war "verstörend", wie FDP-Generalsekretär Christian Lindner meinte. Verstörend sind vielmehr die Reflexe deutscher Regierungspolitiker. Sie folgen dem gleichen Reiz-Reaktionsmuster wie vor drei Jahren. Schon damals warb Erdogan bei einem ähnlichen Auftritt in Köln für Spracherwerb und Bildungsaufstieg seiner türkischen Bürger in Almanya, geißelte aber "Assimilation" pathetisch als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Erdogan hat in Düsseldorf eine Wahlkampfrede gehalten und dabei die innen- wie außenpolitischen Erfolge seiner Regierung herausgestrichen. Denn im Juni stehen in der Türkei wieder Wahlen an, und Erdogan möchte dort seine absolute Mehrheit verteidigen. Dazu setzt er auch auf die Stimmen der türkischen Diaspora, die in Deutschland Gewicht hat.

Wen es stört, dass türkische Politiker ihre Wahlkampfreden auch in Deutschland schwingen, der sollte bedenken, dass 1,6 Millionen Menschen hierzulande eine türkische Staatsbürgerschaft besitzen.Wer möchte, dass sich diese Menschen stärker mit Deutschland identifizieren, darf sie nicht bloß darüber belehren, wie wichtig die deutsche Sprache ist: Das ist banal. Er muss Angebote machen.

Bild: privat

DANIEL BAX ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Was aber hat die Bundesregierung in den letzten drei Jahren getan? Hat sie Türken die Einbürgerung erleichtert? Hat sie die doppelte Staatsbürgerschaft oder das kommunale Wahlrecht eingeführt? Nein.

Erdogan dagegen verspricht all jenen Türken, die deutsche Staatsbürger werden wollen, eine "blaue Karte", mit der sie in der Türkei privilegiert bleiben. Diese doppelte Staatsbürgerschaft light könnte vielen die Entscheidung für den deutschen Pass erleichtern.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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14 Kommentare

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  • E
    Elsche

    Hitler besucht 1936 die USA und wird von vielen Deutschamerikanern jubelnd empfangen. Er verspricht jenen, die zögern, die US-Staatsbürgerschaft anzunehmen, eine "Reichsbürgerschaft leicht". Bax findet das ganz dufte. Adolf macht nämlich Angebote zur Integration, Washington nicht.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ Erasmus:

     

    A.

     

    In der Tat: Islamische Studiengänge werden an deutschen Universitäten eingerichtet, damit

     

    1.) die türkische Religionsbehörde Ditib nicht länger die Interpretationshoheit darüber hat, wie Islamausbildung in Deutschland auszusehen hat, und eben eine Alternative zu türkischsprachigen, die deutsche Sprache nicht beherrschenden und vor allem auch die Lebenswirklichkeit in Deutschland nicht kennenden Ditib-Imame heranzubilden,

     

    2.) Religionslehrer im Fach Islam, ehe sie auf Schulkinder losgelassen werden, eine vergleichbar wissenschaftlich-pädagogisch fundierte Universitätsausbildung genießen wie katholische oder evangelische Religionslehrer; dies ist wichtig, damit Kinder nicht weiter in bestimmten Koranschulen verfassungswidrig indoktriniert werden,

     

    3.) Muslime in Europa wenigstens einmal auf die Idee kommen könnten, eine kritische Religionswissenschaft zu entwickeln, um ihre Schriften textkritisch so zu interpretieren, dass sie mit den Grundrechten und Grundfreiheiten unseres Grundgesetzes nicht in Widerspruch stehen,

     

    4.) gefährlichen verfassungsfeindlichen Wirrköpfen wie den Salafisten auch islamtheoretisch begegnet werden kann.

     

    B.

     

    Sie unterstellen mir abwertend-unsachlich "Paranoia". Hierzu drei Punkte:

     

    1.) Wenn ich in islamisch dominierte Staaten schaue, beklemmt es mich tatsächlich, wie wenig Rechte dort "Ungläubige" (= also Nicht-Muslime) oder gar Atheisten haben; wie gefährdet an Leib und Leben sie sogar sind. Tatsächlich macht mir das Angst!

     

    2.) Ich beschäftige mich tatsächlich mit dieser Thematik, weil sich unsere immerhin freiheitlich-aufgeklärte Gesellschaft nun einmal in den nächsten 20 Jahren aufgrund der Bevölkerungsentwicklung stark verändern wird. Ich lese sogar den Koran, und ich wäre gelassener, wenn ich wüsste, dass Imame in Europa ein vergleichbar religionswissenschaftlich-kritisches Verhältnis zu ihren überlieferten Schriften hätten wie katholische oder evangelische Theologen.

     

    3.) Sollten Sie mit Ihrem Nickname "Erasmus" auf den großen Theologen, Humanisten und Aufklärer Erasmus von Rotterdam anspielen, so sage ich Ihnen, der Sie mir abwertend "Paranoia" unterstellen: ich wünschte mir, der Islam in Europa möge möglichst bald einen muslimischen "Erasmus von Rotterdam" hervorbringen, der, ähnlich wie Erasmus die Bibel, den Koran religionskritisch in den zeithistorischen Kontext einbettet.

     

    Aber, wie Sie wissen, sind diejenigen Muslime, die sich religionswissenschaftlich-kritisch mit dem Koran beschäftigen, eher durch manche "Glaubensbrüder" gefährdet, so dass meine "Paranoia" wohl eher eine begründete Furcht sein dürfte.

  • E
    Erasmus

    Keine Ahnung warum viele bei der doppelten Staatsbürgerschaft ausrasten. Briten, Amerikaner, Italiener, Spanier usw. dürfen das. Wenns die Türken wollen gibts gleich wieder Paranoia-Atacken. Die MAVI-Karte ist eine gute Lösung, weil damit die türk. Staatsbürgerschaft überflüssig wird. Und die deutschen Politiker können sich jetzt entgültig ihre Worte über die Einführung der dopp. Staatsbrg. (schon seit ca. 10 Jahren) sparen.

     

    @ Werkonservativliberaler

     

    Dass Islamische Studien/Theologie ihren Weg in die Unis finden, ist primär eine deutsche Politik um den Islam in D zu kontrollieren und die sogenannten Korankurse unter die Aufsicht des deutschen Staates zu stellen. Von daher kann ich Ihre Paranoia nicht verstehen. Wer redet denn die ganze Zeit von Imamausbildung in D.?

  • IN
    Ihr Namemonika blum

    r

    mit besucher in kreuzberg unterwegs passierte es, daß wir (völlig unbekannte leute) von arabischen und türkischen jugendlichen beim vorbeilaufen als "scheiß christen" beschimpft wurden. das im in der eigene heimat: sehr traurig!

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  • W
    Wertkonservativliberaler

    Als Kontrast zu diesem Kommentar empfehle ich den taz-Lesern den Kommentar von Necla Kelek: "Erdogan in Deutschland - Türke, Türke über alles?" auf Welt Online (leicht zu ergoogeln).

     

    Frau Kelek macht dort den Vorschlag einer Rede, die Erdogan auch hätte halten können, wenn er ein wahrhaft europäisch denkender Politiker wäre und kein nach türkischer Dominanz strebender Friedensspalter wäre.

     

    Lesenswert, ich hoffe taz-Leser sind offen für Beiträge in Medien, die ein anderes Meinungsspektrum vertreten.

     

    Ich als Wertkonservativliberaler lese aus entsprechend umgekehrten Gründen in der taz, um nämlich für mich zu verorten, welche Positionen ich für falsch halte.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ "Mensch ist Mensch":

     

    Könnte es sein, dass diese Skepsis, von der Sie sprechen, auf Alltagserfahrungen mit vielen (nicht allen!) Türken beruhen, die sich selbst von der deutschen Gesellschaft allzudeutlich abgrenzen? Ein kleines Beispiel: Sie kennen sicher auch diese "Kulturvereine" (Nur für Clubmitglieder!), deren Schaufensterscheiben durch Milchglasscheiben von außen undurchsichtig gemacht werden? Abweisender geht es nicht. Auch ist es bedauerlich, dass sich wenige Türken in Vereinen wie Freiwillige Feuerwehr und anderen ehrenamtlich, für die Allgemeinheit tätigen Vereine engagieren. Jetzt werden Sie wieder sagen, dass liege an den Deutschen - bei anderen Migrantenethnien sind diese Selbstabgrenzungstendenzen meines Erachtens nicht so stark ausgeprägt. Meiner Meinung hängt das natürlich mit dem Islam und seinem Überlegenheitsanspruch gegenüber anderen Gläubigen und "Ungläubigen" zusammen, aber auch das werden Sie jetzt vehement abstreiten.

     

    @ Martin Kliehm:

     

    Wer fordert denn, Türken sollten ihre "kulturelle Identität" aufgeben? Ich nicht.

     

    Ich verstehe aber nicht, warum diese "kulturelle Identität" an die türkische Staatsbürgerschaft gekoppelt sein muss. Ich halte doppelte Staatsbürgerschaften für problematisch, da man Loyalität nicht aufteilen kann. Ich fand es furchtbar, wie bei dem letzten Fußballspiel Deutschland - Türkei im Berliner Olympiastadion Mesut Özil bei jedem Ballkontakt von den türkischen Fans gnadenlos ausgepfiffen wurde. Türkischstämmige Fußballspieler, die sich entscheiden, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, werden von vielen Türken als "Verräter" beschimpft; das ist wiederholt nachzulesen gewesen, gerade auch in Bezug auf die jungen U-Nationalspieler.

  • F
    Fraga

    Erdogan...Erdogan...ist das nicht einer der Bundeskanzler neben Merkel?

  • MK
    Martin Kliehm

    Ich bin Deutscher und kann mich nicht mit Deutschland identifizieren. Hingegen kann ich mich mit meiner Heimatstadt und mit Europa identifizieren, aber vieles, das ich mit Deutschland verbinde, schreckt mich ab. Darum verwundert es mich nicht, wenn türkischstämmige Menschen ihre kulturelle Identität nicht völlig zugunsten eines Landes aufgeben wollen, das ihnen permanent das Gefühl gibt, nicht willkommen zu sein. Eine doppelte Staatsbürgerschaft würde die teilweise Identifikation unter Beibehaltung der eigenen Wurzeln ermöglichen.

  • MI
    Mensch ist Mensch

    "Erdogan spricht von "Islamophobie" - verschweigt aber, dass in Deutschland Moscheen gebaut werden, Islamstudien an deutschen Universitäten eingerichtet werden, moslemische Arbeitnehmer im Supermarkt keine Spirituosen-Regale einräumen müssen (letztwöchiges BAG-Urteil) etc."

    Das hört sich ja alles ganz plausibel an, aber letztendlich hast du den springenden Punkt nicht verstanden. Den meisten Türken geht es weniger darum, dass die nächste Moschee zu weit entfernt, oder es keine Islamstudien gibt/gab, sondern darum, dass sie auf der Straße grundsätzlich schiefer angeguckt werden, als Menschen jeder anderen Nationalität.

    Und ich bin mir sicher, dass du auch einer von denen bist, die das tun. Ich bin mir sogar sicher, dass die meisten Deutschen türkisch aussehenden Menschen gegenüber skeptisch sind, ohne es selbst wirklich zu merken.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Warum muss man Menschen, die sich entschieden haben, nach Deutschland zu kommen und freiwillig in Deutschland leben, "Angebote machen", um "sich mit Deutschland zu identifizieren"? Bislang haben sich Einwanderer immer von sich aus mit dem Land identifiziert, in das sie eingewandert sind. Nur die Türken und ihr "lideri" Erdogan bleiben in ihrer osmanischen Großmannssucht verfangen:

     

    Die türkische Community bildet mittlerweile in Deutschland einen zahlenmäßig und kulturell-religiös derart starken, eigenständigen Block, dass die Träumereien eines Daniel Bax, eine "doppelte Staatsbürgerschaft" würde die Identifikation der Türken mit Deutschland vergrößern, Hirngespinste bleiben. Die Türken in Deutschland bilden mit Abstand die größte Zuwanderergruppe - und doch stellen sie sich am lautstärksten als "Opfer" einer sie diskriminierenden deutschen Gesellschaft dar; dabei haben sie hier jede Bildungs- und Entwicklungschance, wenn sie sie denn nur annehmen würden. Erdogan spricht von "Islamophobie" - verschweigt aber, dass in Deutschland Moscheen gebaut werden, Islamstudien an deutschen Universitäten eingerichtet werden, moslemische Arbeitnehmer im Supermarkt keine Spirituosen-Regale einräumen müssen (letztwöchiges BAG-Urteil) etc. Und wie ist es umgekehrt in der Türkei mit Minderheiten bestellt, den Christen etwa? Erdogan spricht mit gespaltener Zunge, er ist kein Friedensstifter, er wiegelt die deutsche Gesellschaft und die türkische Community in Deutschland gegeneinander auf. Das, Herr Bax, sollten sie mal analysieren.

     

    Nein: die meisten Türken in Deutschland, egal mit oder ohne deutschen Pass, wollen Türken bleiben; von Deutschland wollen sie nur eben gerade so viel, wie ihnen nützt. Diese auf Alltagsbeobachtungen gestützte schliche Wahrheit auszusprechen, ist nicht politisch korrekt - weshalb mein Kommentar hier vermutlich auch nicht veröffentlicht wird.

  • V
    vic

    Die größte Niedertracht bestehlt darin, diese Mitbürger für den Waffengang zu missbrauchen, ohne ihnen endlich fundamentale Rechte als gleicher unter gleichen zu geben (oder sind "wir" etwa besser?)

    Jene konservative Kreise in der BRD, die davor die Augen verschließen, wären doch im Ausland die ersten, die darauf bestehen würden, die "deutschen kulturellen und sprachlichen Wurzeln" zu fördern.

  • A
    Andreas

    Wie wahr, wie wahr!!!

     

    Ob es so einen Aufruhr gäbe wenn ein französischer Präsident seinen Landsleuten in Deutschland empfiehle ihren Kindern zuerst französich und dann deutsch beizubringen?

     

    Aber man darf nicht vergessen, dass in Deutschland ständig irgentwo Wahlen sind, da muss man eben aauch den rechten Rand bedienen.

    Die "Türken" wählen ja nicht hier.

  • L
    Leila

    Die Mavi kart gibt es bereits seit 2004 (Kanun No. 5204), es gibt nichts neues von Erdogan und von Bax nur dummes Zeug. Ein Anruf bei IGMG oder Gülen-Sekte hätte genügt, die machen seit Jahren Werbung dafür.

  • BD
    Besorgter Deutscher

    Eindeutig nein zur doppelten Staatsbürgerschaft! Wie sagt das deutsche Sprichwort so schön: Man kann nicht zwei Herren dienen. Im übrigen ist es nicht nötig, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Man kann in Deutschland sehr, sehr gut leben mit seinem heimatlichen Paß, wenn man mit seiner Herkunft nicht brechen will. Eine gute Bekannte (nicht aus der EU) hat ihre heimatliche Staatsangehörigkeit, lebt schon seit Jahrzehnten (bestens integriert) in Deutschland und kann als einziges "Manko" nicht hier wählen. Wer zwingt die Türken, Deutsche zu werden? Sogar Sozialhilfe bekommen sie, wenn sie mittellos sind. Wenn Erdogan die Türken ermuntert, "Deutsche" zu werden und ihnen gleichzeitig in der Heimat alle Rechte wieder einräumt, zeigt er überdeutlich, was er will: Deutschland als Kolonie und die hier lebenden Türken als Erfüllungsgehilfen der Turkisierung Europas, eines neuen osmanischen Reiches.