Kommentar zu Berlins Möchtegernflughafen: BER braucht mehr Marktwirtschaft
Immer mehr Passagiere fliegen auf Berlin. Das ermöglicht die Lösung aller BER-Probleme - wenn man den Vorschlägen von Mehdorn nicht folgt.
Endlich wieder eine gute Nachricht vom Flughafen: Unternehmenschef Hartmut Mehdorn prognostiziert eine schnelle Steigerung der Passagierzahlen: Bis zum Jahr 2035 sollen es doppelt so viele sein wie jetzt – und schon jetzt kommen an den beiden alten Flughäfen Schönefeld und Tegel mehr Passagiere an, als der im Bau befindliche BER bewältigen kann.
Eine gute Nachricht ist das, weil es die Lösung aller mit dem Flughafen auftretenden Probleme auf einen Schlag ermöglicht. Dazu darf man es allerdings nicht so machen, wie Mehdorn vorschlägt – nämlich das Terminal durch einen Neubau zu erweitern. Stattdessen muss man es so machen, wie es in einer Marktwirtschaft üblich ist: Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, dann steigen die Preise. Wenn mehr Menschen den Flughafen benutzen wollen, als dort reinpassen, dann steigen also Flughafengebühren und dadurch auch die Kosten für die Tickets. Und zwar so sehr, bis die Nachfrage sich auf dem Niveau der Kapazität einpendelt – bei 27 Millionen Passagieren im Jahr. Das könnte man etwa dadurch erreichen, indem man die begehrten Zeitfenster für Start und Landungen meistbietend an die Flughafengesellschaften versteigert.
Schluss mit den Lügen
Das hat viele Vorteile: Die Klimaschäden durch die Fliegerei werden begrenzt, statt immer weiter ins Unermessliche auszuufern. Die Flughafengesellschaft macht höhere Einnahmen und kann die Subventionen zurückzahlen, die sie wegen des missratenen Baus aus den öffentlichen Haushalten bekommen hat. Die Kosten für den BER-Bau werden dann also nicht vom Steuerzahler getragen, sondern von denen, die von diesem Bau profitieren – den Passagieren. Eine Begrenzung des Flugtourismus auf den jetzigen Stand bedeutet auch: Es müssen keine zusätzlichen Hotels in der Stadt mehr gebaut werden; die noch vorhandenen Brachen stehen also für dringend gebrauchte Wohnungen zur Verfügung. Eine Ausweitung der flugfreien Stunden in der Nacht wird plötzlich ganz problemlos möglich. Und wegen der teureren Flugpreise verändert sich auch das Klientel der Berlin-Besucher: Die preissensiblen und nachts laut grölenden Sauftouristen müssen sich andere Billigdestinationen suchen.
Vor allem aber heißt der Verzicht auf einen BER-Erweiterungsbau: keine neuen Milliardenzuschüsse aus Steuergeld, keine neue Brandschutzfehlplanung, keine Korruption, kein Pfusch am Bau mehr, keine falschen Versprechungen, keine Lügen. Die Flughafengesellschaft hat nun wirklich hinreichend bewiesen, dass der Neubau von Terminals bei ihr derzeit in schlechten Händen ist. Wie verrückt müsste man sein, ausgerechnet dieses Unternehmen noch mal mit so einem Projekt zu beauftragen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül