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Kommentar zu BER-DebakelLandeseigen kann auch schiefgehen

Das Schönefeld-Debakel wird zum Laster für die Rekommunalisierungs-Träume der SPD. Denn versagt hat beim BER kein privates Konsortium - sondern ein landeseigenen Unternehmen.

So viel Häme und Spott gibt es selten für Berlin. „Airport Willy Brandschutz“, witzelte eine Ministerin aus Niedersachsen, im Internet kursiert der Slogan „Wir können alles. Außer Flughafen“. Doch das könnte erst der Anfang sein. Noch weiß keiner, was das Debakel in Schönefeld kostet und wann BER tatsächlich eröffnet wird. Und vor Tegel steht der schlimmste Flugherbst seit der Einweihung 1948.

Die Last-Minute-Verschiebung in Schönefeld hält für Berlin also jede Menge Kollateralschäden bereit. Für die regierende SPD des Klaus Wowereit könnte sie zur Zerreißprobe werden.

Dumm wie Stulle war kein privates Konsortium, sondern ein landeseigenes Unternehmen. Der Planungs-GAU der Flughafen GmbH hat damit auch Auswirkungen auf die Debatte über die Rekommunalisierung.

Als die SPD-Fraktion im Januar zur Klausur zusammenkam, hatte der neue Fraktionschef Raed Saleh den politischen Fahrplan vorgegeben: Die Teilprivatisierung der S-Bahn soll verhindert werden, die privatisierten Anteile an den Wasserbetrieben zurückgekauft. Eine eigens gegründete Arbeitsgruppe „Davos“ (für „Daseinsvorsorge“) bündelt derzeit die Debatte. Ein erster Etappensieg konnte vermeldet werden. Offenbar sind sich Finanzsenator Nußbaum und RWE handelseinig. Berlin hätte wieder die weitgehende Kontrolle über sein Wasser.

Doch was, fragt man sich seit Schönefeld, ist damit gewonnen? Was können landeseigene Unternehmen besser als ein privates? Verhalten sich BSR und Behala, wenn es um Liegenschaftspolitik geht, nicht genauso renditeorientiert wie eine Heuschrecke?

Fragen wie diese waren bislang nicht en vogue. „Landeseigen“, das klingt in den Ohren vieler Genossen bereits nach demokratischem Sozialismus. So gesehen kann der Offenbarungseid der Flughafen GmbH auch eine heilsame Wirkung haben – richtet er das Augenmerk doch nicht auf das Ob einer Landesbeteiligung, sondern auf das Wie.

Vor allem die SPD ist nun gefragt, wie man politische Ausrichtung und Kontrolle landeseigener Unternehmer besser ausrichten kann. Gibt es dafür keine Antworten, sollte nach einer Entlassung der Flughafenchefs auch Davos von der Bildfläche verschwinden.

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7 Kommentare

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  • SK
    Stefan Klug

    Natürlich wird kommunale Verwaltung überschätzt.

     

    Kommunale firmen sind immer Anfällig für Parteipöstchen und Korruption.

     

    Und wenn bei Privatisierungen was schief läuft, dann liegt das auch meistens am Staat.

     

    Beim Wasser hat Berlin einfach den Kaufpreis dadurch in die höhe getrieben indem sie höhere Preise erlaubte. Das ist alles.

  • Y
    yberg

    es läuft so wie immer,wenn der öffentliche auftrag einschließlich aller planungs- und projektsteuerungsleistungen auf die ausführenden privatunternehmen vergeben ist.

     

    einigkeit aller auftragnehmer in der orchestrierung plötzlich nicht vorhersehbare risikolagen und schwierigkeiten verbunden mit zusatzleistungen,die dem auftraggeber per nachtrag abgepreßt werden und die kosten des vorhabens explodieren lassen.

     

    die verantwortlichen seitens der öffentlichen hand, ,mögen sie auch im mantel einer privaten unternehmensform auftreten,werden so sie zucken und nicht auf erste anforderung hin zahlen wollen mit rechtstreitigkeiten überzogen,die oft auch den eigenen rechtsvertretern große freude bereiten,sichern doch diese die auftragslage für jahre.illoyalitäten ohne ende.

     

    oft kaspern noch politiker aus allen lagern herum,die klandestinent verbundenen unternehmen weitere vorteile zuschanzen oder eingegangene risiken abnehmen wollen und die aus der selbstverkündeten perspektive des neutralen beobachters,den gesunden menschenverstand einfordern,was da heißt leistungslose zusatzkostenhonorierung für ihre vetterchen oder risikorückverlagerung auf den auftraggeber durch minderleistungen.

     

    bei großprojekten der privatwirtschaft läuft es verwundernswerter weise genau umgekehrt.da werden die auftragnehmer vertraglich und in der wirklichkeit in risiken ohne ende geknechtet.

  • DC
    Der Clownfisch

    Toller Kommentar von Uwe Rada:

     

    Sofort alle landeseigenen Unternehmen an Bertelsmann, RWE und Co verkaufen.

    Stadtverwaltung auch.

    Senat auch.

    Und die taz gleich mit dazu.

    :-)

  • MB
    Mathias Bartelt

    Lieber Herr Rada,

     

    allgemein will ich meinen Vorkommentierenden zustimmen. Auch ließe sich so Manches zu Ihrem Kommentar ergänzen. Selbst dann, wenn mit etwas gutem Willen Alles so - und so differenziert - verstanden wird, wie Sie es wahrscheinlich meinen. Allerdings: Der Titel Ihres Artikels scheint mir eben doch eine Richtung anzudeuten.

     

    Ich will mich weit gehend auf den folgenden Verweis beschränken, der genau so aktuell und auf der Höhe der Debatte um (Teil-) Privatisierung öffentlicher Aufgaben (oder nicht) ist. Nur in einem "anderen Ressort". Und von der Fragestellung mithin eben wieder genau "anders herum":

    http://www.tagesspiegel.de/wissen/turners-thesen-qualitaetssicherung-ist-einmonstrum/6571094.html

     

    Der Autor des Kommentars ist m.E. jegliches "demokratischen Sozialismus" unverdächtig. Mensch könnte ihn in Antwort auf Ihren Titel verkürzt auf den Punkt bringen: "Staatsunabhängig" = nicht gleich weniger bürokratisch oder: nicht automatisch besser.

     

    Eine wichtige Antwort deuten m.E. auch meine Vorkommentierenden an: Es geht m.E. um demokratische Kontrolle, Rückholbarkeit und Verantwortbarkeit. Deshalb finde ich die Optionen "Landeseigen oder nicht" oder "Staatseigen oder nicht" verkürzt. Es geht um: "demokratisch kontrolliert oder nicht".

     

    Daß nicht Alles automatisch besser läuft, wenn der Berliner Senat (die Exekutive) und seine Ressortchefs in den verschiedensten Aufsichtsräten sitzen, ist am aktuellen Fall m.E. offenkundig. Wenn (etwa "private") "Manager" (oder welche verbalen Varianten auch immer Sie hier einsetzen wollen) in unzähligen Aufsichtsräten (oder auch nur in einem einzigen) sitzen, ist es genau so wenig automatisch besser.

     

    Also: Vergesellschaftung (= Demokratisierung) statt (nur) Privatisierung oder (nur) "Verstaatlichung". Und schon haben Sie eine mögliche Deutung für "demokratischen Sozialismus". Ganz unstaatlich. Ganz unstalinistisch (ich erlaube mir diese verkürzte Polemik). Und - in der Sache - völlig unerheblich, ob Sie das "links" nennen wollen oder anders. Allerdings ist es "der Staat" (wie auch immer Sie ihn in seinen Einzelteilen, Institutionen, Verwaltungs- und Kontrollstrukturen definieren wollen), der - qua Gewaltmonopol - Gewährträger für genau diejenigen Gesetze ist, die vorgeben, wie weit demokratische Kontrolle, wie viel Staat oder wie viel (Teil-) Privatisierung tatsächlich Statt findet. Das würde auch jeder "Manager" und jeder "liberale" Ideologe m.E. unterschreiben. Es sei denn vielleicht, wir würden nun neuerdings auch das "Gewaltmonopol" an "Private" outsourcen - wie es manche Debatten in Großbritannien m.E. andeuten. Oder wir schaffen es - wie manche "autonome" Debatten andeuten - gleich ganz ab. Na - wie weit wollen wir die Debatte führen? Am besten, jede_r hat ihre/seine Privatpolizei? Oder verlassen wir uns drauf, daß sich die Menschen schon nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen werden - und darauf, daß sich Einzelne nicht unkontrolliert (sehr viel) mehr nehmen, als ihnen zusteht? Führen Sie die Debatte über "Staatlichkeit", darüber, was das ist, ihre Funktion und ihren Sinn (nicht nur über "Obrigkeitsstaatlichkeit). Dann wird m.E. ein Schuh draus. Und wir ersparen uns solche einzelnen Geplänkel anläßlich einzelner Anlässe.

     

     

    Mit besten Grüßen

     

    Mathias Bartelt

  • F
    Frank

    Wer behauptet denn wo, dass landeseigene Unternehmen etwas "besser" machen können? Das ist ja schon denklogisch unsinnig. Landeseigene Unternehmen können entweder potentiell geringere Gebühren/Preis verlangen, wenn sie auf die Kostenart Gewinn verzichten. Wenn sie das nicht tun, dann fließt dieser Gewinn immerhin in den Landeshaushalt und nicht in die Taschen von Aktionären. Weshalb auch der Begriff "renditeorientiert" hier völlig fehl am Platze ist, natürlich sollen und können das landeseigene Unternehmen auch sein.

     

    Mir missfällt außerdem die Formulierung "Planungs-GAU" - weiß der Autor denn überhaupt, was diese Abkürzung heißt? Eine Verschiebung um ein paar Monate, die niemandem wirklich weh tut, ist ein "GAU"? Obwohl es jeder vorher schon wusste, dass es bei derartigen Riesenunternehmen immer zu Verschiebungen kommt? Lächerlich.

     

    Wenn die taz schon meint, einen Großteil ihrer Berichterstattung auf dieses eine Thema zu konzentrieren, sollte sie vielleicht bei der Auswahl der Kommentatoren doch eher darauf schauen, wenigstens ganz grundsätzliche Grundkenntnisse der Materie vorauszusetzen.

  • N
    nanu

    Daß öffentliche Unternehmen nicht per se besser wirtschaften als private, ist nichts Neues - siehe Berliner Bankenskandal. Aber es müßte eigentlich - den politischen Willen und Mut vorausgesetzt - leichter sein, die Verantwortlichen zur Brust zu nehmen bzw. am Geldbeutel zu packen. Leider ist auch dies im Falle des Bankenskandals bisslang nicht der Fall gewesen.

    Daß aber die Rekommunalisierungsstrategie dadurch diskreditiert würde, ist doch ein Kurzschluß: seit der Bankenkrise und allerlei private-public-equity-Versuchen wissen wir es besser: private Unternehmen sind auch nicht besser, nur noch teurer - s.oben.

  • DW
    die wahre taz

    Bei einem landeseigenen Unternehmen ist es relativ einfach und billig, einen unfähigen oder korrupten Direktor zu feuern. Bei einem (teil-)privatisierten Unternehmen wie den Berliner Wasserbetrieben kann das schon mal ein oder zwei Milliarden Euro kosten und mit mehrjährigen Gerichtsprozessen verbunden sein.

     

    Oder anders herum: Politikern, denen man nicht zutraut, einen kleinen Betriebsdirektor zu kontrollieren, sollte man schon gar nicht die Aufsicht über transnationale Konzerne und ihre Anwaltsmafia anvertrauen. Da hilft dann auch die Unterstützung durch die Skandal-Trüffelschweinchen der Berliner Presse nichts.