Vor dem KI-Gipfel in Paris: Besser machen statt nachmachen
Künstliche Intelligenz ist das riesige Thema, ein Milliardenmarkt. Die USA und China haben vorgelegt. Was kann Europa dem entgegensetzen?
![Modell eines menschlichen Gehirns Modell eines menschlichen Gehirns](https://taz.de/picture/7519145/14/35871641-1.jpeg)
D ie USA und China haben in den vergangenen Wochen vorgelegt: mit Investitionszusagen in dreistelliger Milliardenhöhe von Unternehmen für KI-Infrastruktur die einen, mit einem neuen und mutmaßlich effizienteren KI-Modell die anderen. Wenn sich Regierungschef:innen und Vertreter:innen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Kultur nun in dieser Woche in Paris zum KI-Gipfel treffen, dann werden diese jüngsten Entwicklungen der USA und Chinas immer in den Hinterköpfen sein. Und das wird gerade zum Problem.
Denn es zeichnet sich ab, dass sich Politiker:innen in Europa in die Enge treiben lassen. Sie verfallen den Forderungen der – auch europäischen – Wirtschaft: weniger Regulierung für KI, mehr staatliche Investitionen und Förderprogramme; bestehende Regeln, die gerade erst ganz langsam und schrittweise überhaupt in Kraft treten, abschwächen und bloß keine neuen dazu. Als wäre es eine gute Idee, sich im internationalen KI-Wettbewerb einfach die USA und China als Vorbild zu nehmen und das machen zu wollen, was die beiden vorlegen.
Die Forderungen treffen auf den Zeitgeist, der ohnehin von Rufen nach Deregulierung geprägt ist. In dieser Logik sind Vorschriften und Verbote nicht mehr als Bürokratie, die dringend abgebaut gehört. Wenn sich ein Friedrich Merz beispielsweise dafür ausspricht, die Datenschutz-Grundverordnung zu kippen oder abzuschwächen, dann lässt sich das zum Glück nicht einfach so umsetzen. Aber die gefährliche Haltung hinter solchen Forderungen, die muss man ernst nehmen. Denn in dieser Denke kommen immer die Gewinninteressen der Wirtschaft als Erstes – und die Bedürfnisse der Menschen ohne dickes Aktiendepot irgendwann am Schluss.
In Sachen KI heißt das: Nachteile der Technologie werden bequem ausgeblendet. Der enorme Bedarf an Energie, Wasser und Rohstoffen? Die zunehmende Marktmacht der Konzerne? Der Mangel an Transparenz bei der Entwicklung? Gefahren für die Demokratie? Nicht der Sorge wert.
Dabei kann KI, gezielt eingesetzt, sicher hilfreich sein: Im medizinischen Bereich gibt es vielversprechende Ansätze, etwa bei der Unterstützung von Ärzt:innen. Bei der Energiewende könnte sie eine tragende Rolle spielen, wenn es darum geht, Erzeugung und Nachfrage zu prognostizieren und Systeme zu steuern.
Ja, KI kann auch Teil der Lösung sein. Kann. Derzeit ist sie eher Teil des Problems. Das muss man begreifen, um ihr Lösungspotenzial nutzen zu können – und um nicht von den Problemen überrollt zu werden.
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