Kommentar von Sven-Michael Veit über deutsche Reeder als Umweltschutzvermeider: Krämerseelen an der Kai-Kante
Selbstredend denken Kaufleute zuallererst ans Geldverdienen, deutsche Reeder aber offenbar ausschließlich. Und zwar, das legt die neueste Reederstudie der Consultingprofis von PWC nahe, in alten Mustern und nach alten Geschäftsmodellen. Innovation bleibt ein Fremdwort, Ökologie ein Schreckensbild.
Wie anders ist es zu erklären, dass die deutschen Reeder mehr Angst vor neuen Umweltvorschriften haben als vor US-Präsident Donald Trump, den iranischen Revolutionsgarden und dem Brexit? Das Klischee vom nüchtern kalkulierenden Herrscher über Warenströme und Weltmeere bekommt da doch massive Risse.
Die Besorgnis noch steigernd ist da die PWC-Analyse, die befragten Manager würden Projektionismus, Abriegelung von Märkten und geopolitische Machtspiele als nicht langfristig bedeutsam einschätzen. Das ist mal eine notwendige Klarstellung für die geistig Armen unter uns.
Wer bislang dachte, der Trump meint das Ernst mit seinen Handelskriegen gegen China und Russland, wer bislang dachte, Großbritanniens neuer Premier Boris Johnson und der Brexit seien die Neuerfindung der englische Tragödie, wer bislang dachte, die Ayatollahs am Persischen Golf würden vor einem Heiligen Krieg nicht zurückschrecken; wer bislang dachte, die Chinesen würden gerade versuchen, der drittgrößten Hafenstadt der Welt, Hongkong, den himmlischen Frieden zu bringen – wer all das für reale Gefahren hielt, der muss nun das ganze Ausmaß seiner Naivität erkennen.
Denn die Krämerseelen an der Kai-Kante wissen es genau: Noch mit den durchgeknalltesten Despoten lässt sich Geld verdienen, mit Öko-Klimbim aber nicht. Alternative, umweltfreundlichere Antriebe als das schwer giftige Bunkeröl, das sie auf ihren schwimmenden Sondermüllverbrennungsanlagen verheizen, würden sie ja nutzen, wenn es nicht teurer würde. Flüssigerdgas (LNG) müsste also staatlich subventioniert werden. Gegen Landstrom in Häfen haben sie auch nichts, wenn sie von der EEG-Umlage befreit würden, auch dies wäre eine indirekte Subvention.
Mitunter ist es schon erstaunlich, mit welcher Dummdreistigkeit Umweltverschmutzer in Nadelstreifen die Gesellschaft zu erpressen versuchen. Wirklich gute Kaufleute aber halten nicht an kolonialen Ausbeutungsmustern aus der Kaiserzeit fest, sondern investieren in Klima- und Umweltschutz. Ökonomie durch Ökologie heißt die Zukunft, nicht statt.
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