Kommentar von Sven Hansen zur EU-Politik gegenüber China: Symbolpolitik für Europas Glaubwürdigkeit
Chinas handstreichartig verabschiedetes Nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong ist ein Bruch des Autonomieversprechens („Ein Land, zwei Systeme“) an die frühere Kronkolonie. Dies war zwischen London und Peking 1984 völkerrechtlich vereinbart worden. Bei den EU-Reaktionen darauf geht es jetzt nicht nur um die Freiheitsrechte der Hongkonger, sondern auch um Chinas Glaubwürdigkeit wie um die Europas und dessen außenpolitische Handlungsfähigkeit. Um alle vier steht es sehr schlecht.
Seit Jahren wird gemahnt, dass Europa mit einer Stimme sprechen müsse, wenn es von China und anderen ernst genommen werden will. Doch Europas Außenminister sind gegenüber China weiterhin uneins. China hat in der Eurokrise so stark in Griechenland investiert, dass Athen nicht mehr gegen Peking zu stimmen wagt. Ungarns autokratischer Ministerpräsident Orbán wiederum gibt gern Chinas Avancen nach, um Druck aus Brüssel auszuweichen. Italien und andere hoffen, von Pekings neuer Seidenstraße zu profitieren. Und Deutschland lebt wie kein zweites EU-Land vom China-Handel. Ohne Volksrepublik kriselte Volkswagen noch stärker, Mercedes hat schon einen chinesischen Anteilseigner, und auch andere deutsche Konzerne können nicht mehr auf China verzichten.
Die Bundesregierung hat sich auf die Strategie „Wandel durch Handel“ versteift. Die hat bisher gute Geschäfte ermöglicht und den Deutschen die Illusion einer vorteilhaften Sonderbeziehung zu Peking gegeben. Auch deshalb hat die Bundeskanzlerin – China-Politik ist Chefinnensache – wie schon ihre Vorgänger Peking nie öffentlich kritisiert. Natürlich gibt es auch Argumente gegen polternde Lautsprecherpolitik. Doch Berlins Leisetreterei gegenüber dem zunehmend arrogant auftrumpfenden Peking ist keine überzeugende Außenpolitik. Und Chinas jetziger Bruch des Völkerrechts ist zu schwerwiegend, als dass allein mit folgenlosen Appellen oder dem vorgeschlagenen symbolischen Exportverbot für Polizeiausrüstung zu reagieren wäre.
Klar ist: Deutschland und Europa haben kein Mittel, in Peking eine Rücknahme des Hongkonger Sicherheitsgesetzes durchzusetzen. Sanktionen dürften bestenfalls zur einer selteneren Anwendung des Gesetzes beitragen und zur Erhöhung des politischen Preises für Peking, was künftige Fälle verhindern mag. Sanktionen sind aber dennoch nötig, weil die EU sonst vollends als Papiertiger entlarvt und BürgerrechtlerInnen gezeigt wird, dass sie sich auf Europa nicht verlassen können.
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