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Kommentar von Laurent Joffrin zur französischen PräsidentschaftswahlEine Wahl wie eine Kreuzung

Endlich startet der Wahlkampf, denn bis jetzt hatte er für die Präsidentenwahl 2017 nicht wirklich begonnen. Die Affäre des konservativen Kandidaten François Fillon hat lange die politische Debatte überlagert, und diese Affäre wiederum wirkte wie eine Reaktion auf die von Marine Le Pen vom Front National.

Die TV-Debatte vom Montagabend, deren Qualität unbestritten ist, widerlegt eine Vielzahl von desillusionierten Kommentatoren: Die Wähler haben durchaus eine offene Wahl vor sich, klar und mit durchargumentierten Positionen. Eine Wahl, die für die Zukunft des Landes entscheidend ist. Die Wahl ist wie eine Kreuzung, an der Straßen in verschiedene Richtungen führen.

Urteilen Sie selbst: Marine Le Pen wirbt für einen nationalistischen Bruch, xenophob und antieuropäisch; François Fillon – wenn er gerade nicht auf Befragungen durch die Justiz antwortet – verteidigt ein liberales und konservatives Projekt, das die toten Geister von Margaret Thatcher wieder zum Leben erwecken will; Emmanuel Macron propagiert einen verjüngten Zentrismus, der auf einer sozialliberalen Politik basiert; und schließlich Benoît Hamon und Jean-Luc Mélanchon mit rosafarbenen, grünen und roten Nuancen, die einen sozialökologischen Aufbruch wollen, der sich auf eine kräftige Wiederbelebung des Konsums, das heißt des Wachstums, stützt.

Werden die Franzosen sich in diesem Wahlkampf politisch wiederfinden, zumindest im ersten Wahlgang, vor der Stichwahl? Das Spektrum ist groß, die Optionen sind klar formuliert.

Diese Optionen und ihre Protagonisten bringen die französischen Massen in Bewegung, rufen Engagement hervor und vereinigen jeder auf seine Weise ungefähr ein Viertel der Wählerschaft. Bevor sie wieder in das ambivalente Entzücken einer „nützlichen“ Stimmabgabe und eines gekünstelten Kalküls eintauchen, werden die Wähler ihre Wahl sehr bewusst treffen.

Der Autor ist Chefredakteur der Tageszeitung Liberation

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