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Kommentar von Jean-Philipp Baeck über niedersächsische WillkommenskulturMenschenfreundlichkeit Fehlanzeige

Familiennachzug umgekehrt: Die Abschiebung der syrischen Familie ist zynisch

Mit einem gewissen Zynismus könnte man sagen: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) bleibt bei seinem Wort. Nach dem Abgang seines rechtslastigen Vorgängers Uwe Schünemann (CDU) hatte Pistorius eine Wende in der Asylpolitik angekündigt. „Mehr Menschlichkeit“, hatte er versprochen und dass er unter anderem keine Familien mehr trennen wolle. Letzteres versucht das Innenministerium im Fall der syrischen Familie nun einzulösen, die rechtswidrig aus Lehrte nach Bulgarien abgeschoben wurde. Denn nach Mutter und drei Kindern sollen nun auch Vater und Sohn folgen. Familiennachzug eben, nur umgekehrt. Rückholung nach Deutschland? Pustekuchen.

Dabei muss der Zynismus in diesem Fall nicht von außen angetragen werden: Schon, dass der Familie nur „subsidiärer“ Schutz zugesprochen wurde, ist eine Schweinerei, die allerdings der Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entspricht. Obwohl angeblich jeder Einzelfall individuell geprüft wird, wurde Flüchtlingen aus Syrien seit März 2016 massenhaft dieser und nicht mehr der Flüchtlingsschutz zugebilligt – just, nachdem für sie damit auch der Familiennachzug ausgesetzt ist.

Nun gehört die Familie laut ihrem Anwalt aber zudem zur Gruppe der Jesiden, die in Syrien von Vernichtung bedroht sind. Es kann keinen Zweifel geben, dass ihnen Hilfe und Schutz zusteht.

Weil es aber in Europa die Dublin-Regeln gibt, schickte Niedersachsen die halbe Familie nach Bulgarien. Nach Griechenland allerdings wurde wegen menschenrechtswidriger Zustände seit 2011 nicht mehr abgeschoben. Gleiches müsste für Bulgarien gelten, nach Berichten über Misshandlungen, die Jagd von Neonazi-Milizen auf Flüchtlinge sowie der Diskriminierung von Minderheiten wie den Roma.

Doch in Zeiten, in denen Abschiebungen nach Afghanistan kein Tabu mehr sind, ist am Mittwoch selbst diese Ausnahmeregel für Griechenland ausgelaufen. Menschenfreundlichkeit war in Deutschland eben nie die Maxime der Ausländerrechts-Praxis.

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