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ifo-Studie zu KriminalitätsfaktorenMigration allein macht niemanden kriminell

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Studien belegen immer wieder, dass sozioökonomische Faktoren Kriminalität schaffen. Wer das Problem nur auf Migration schiebt, verhindert deren Bekämpfung.

Nächtlicher Polizeieinsatz: Armut und Ausgrenzung sind Hauptgründe dafür, dass Menschen kriminell werden Foto: Maximilian Koch/imago

E inwanderung führt nicht zu mehr Kriminalität, zeigt eine Studie des ifo-Instituts aus der letzten Woche. Zwar tauchen Migrant*­in­nen in den Polizeistatistiken öfter auf, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.

Aber das liegt nur daran, dass sie überdurchschnittlich oft in Großstädten leben, wo die Armut größer, die Polizeikontrollen häufiger und die Gefahr, kriminell zu werden, für alle höher ist. Sozioökonomische Faktoren, die Mi­gran­t*in­nen besonders treffen, sind also entscheidend.

All das ist eigentlich nichts Neues, schon viele Studien sind zu ähnlichen Schlüssen gekommen. Aber es zeigt einmal mehr, wie weit sich die heißgelaufene Debatte um Migration von den Fakten entfernt hat. Die Überzeugung, dass Zugewanderte an und für sich die öffentliche Ordnung bedrohen, ist fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Auch andere Probleme werden gern kulturell erklärt, während die Wissenschaft eigentlich sozioökonomische Gründe vermutet.

Wahlerfolge rechter Parteien? Ausdruck geistiger Verwahrlosung und nicht Ergebnis eines Wirtschaftssystems, das Abstiegsängste, Enttäuschung und Wut produziert. Mehr Depressionen? Ein medizinisches Problem, aber ganz bestimmt kein Zusammenhang mit prekären Lebensbedingungen, Ungleichheit und einem Wettlauf um soziale Anerkennung, der von den Profitinteressen der Social-Media-Plattformen angefacht wird. Man könnte die Liste beliebig weiterführen.

Eine Ablenkungsstrategie

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Es ist nicht schwer zu erkennen, warum diese Sichtweise so weitverbreitet ist. Sie liefert einfache Antworten. Es ist verführerisch leicht, aus dem hohen Ausländeranteil in der Kriminalstatistik zu schließen, dass Zugewanderte eben einfach krimineller sind. Das Wechselspiel verschiedener Faktoren, von denen Mi­gran­t*in­nen nun mal deutlich öfter betroffen sind, ist ungleich schwieriger zu durchschauen und zu vermitteln. Hier sind gute Wissenschaftskommunikation und differenzierte Berichterstattung in den Medien nötig.

Doch für den deprimierenden Zustand der öffentlichen Debatte um Migration und Kriminalität gibt es wohl noch mehr Gründe. Kulturelle Erklärungen kommen bestimmten Gruppen einfach sehr gelegen. Kein Wunder, dass die Argumente besonders laut von denen kommen, die viel zu verlieren hätten, wenn über die materiellen Verhältnisse und deren Kosten gesprochen würde. Friedrich Merz fliegt Privatflugzeug, verbindet Sicherheit systematisch mit der Migration und verspricht Steuersenkungen für Reiche.

Alice Weidel, auch sie nach Schätzungen Millionärin, will die Erbschaftssteuer abschaffen und Menschen mit Migrationshintergrund am liebsten komplett loswerden. Setzen sie sich durch, dürften sich die Probleme, die sie zu bekämpfen vorgeben, verschlimmern. Wer Mi­gran­t*in­nen das Leben noch schwerer macht, befördert damit Armut und Ausgrenzung. Also just einige der Hauptgründe dafür, dass Menschen wirklich kriminell werden.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
schreibt über alles, was im weitesten Sinn mit Migration zu tun hat.
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3 Kommentare

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  • Die Armut ist in Großstädten in Deutschland größer als auf dem Land? Ein Blick in deutsche Statistiken lässt genau das Gegenteil vermuten. Das Argument funktioniert nur in den USA wo die Reichen in die Peripherie ausweichen weil sich die Ghettos im Stadtinneren befinden.



    Bestimmte von der Bevölkerung besonders abgelehnte Formen der Alltagskriminalität wurden schon immer hauptsächlich von jungen Männern der Unterschicht begangen. Migrationshintergründe spielen da meist keine Rolle. Unsere Unterschicht hat nur eben immer öfter MigraHu. Das der Bevölkerung so zu kommunizieren und dann achselzuckend zur Tagesordnung übergehen hat sich aber in den letzten Jahren als verheerend erwiesen. Wir müssten dagegen praktische Fragen diskutieren, wie das Sicherheitsgefühl wieder erhöht werden kann oder wie wir die Gruppen herumlungernder junger Männer aus den Innenstädten kriegen, vor denen sich viele Rentner fürchten.

  • Nach dem Sündenbockprinzip zu verfahren, sich einen Schuldigen zu suchen und den an Pranger zu stellen ist seit Jahrhunderten gängige Praxis und einfacher als den oftmals komplexeren Ursachen auf den Grund zu gehen.

    In diesem Punkt stimme ich dem Autor zu. Ebenfalls ist altbekannt, das die persönliche Lebenssituation und das soziale Umfeld eine gewichtige Rolle für die eigene Lebensführung spielen. Da gehe ich auch noch konform mit dem Autor.

    Nur diese Punkte sind lediglich eine Begründung, sie entschuldigen rein gar nichts. Fakt ist das Migranten in der Gruppe der Straftäter überrepräsentiert sind. Und da kommt das Prinzip der Eigenverantwortung ins Spiel. Eine prekäre soziale Lage ist halt keine legitime Begründung dafür kriminell zu werden, sondern zeugt von einer individuellen persönlichen Schwäche. Es gibt genügend Menschen die nicht auf Rosen gebettet sind und dennoch ehrlich bleiben. Das sollte bei der ganzen Diskussion um Ausländerkriminalität nicht übersehen werden.

    • @Sam Spade:

      Es soll auch keine Entschuldigung sein sondern eine Erklärung.



      Wenn arme, männliche Migranten genausooft kriminell werden wie arme, männliche Nicht-Migranten, dann liegt es anscheinend nicht am Migrant sein und man sollte nach anderen Gründen suchen. Arm und Mönnlich wären die nächsten Kanidaten, es spricht aber niemand von Männerkriminalität.