Kommentar von Daniél Kretschmar über geplantes Meldegebot für Studierende: Hochschulen sind keine Polizeibehörden
Daniél Kretschmar
ist Redakteur von taz zwei
Berlin ist die Stadt der Ideen, zumindest sieht der Senat unsere geschätzte Rumpelhauptstadt bei jeder sich bietenden Gelegenheit als funkensprühendes Exzellenzcluster und zukunftsweisende Innovationsmetropole. Und tatsächlich, Ideen gibt es eine Menge – nicht alle sind aber gut. Der Versuch, Studierende zur Anmeldung eines Erstwohnsitzes in der Stadt zu drängen, ist aus Sicht des Finanzsenators vielleicht schlüssig, schließlich summieren sich die Überweisungen des Bundes schon bei ein paar Tausenden zusätzlich gemeldeten Studis ganz ordentlich. Bei einem genaueren Blick auf die Maßnahme aber ist sie einfach nur eine überflüssige obrigkeitsstaatliche Gängelung.
Denn wer will Studierenden ernsthaft vorschreiben, dass sie auf dem engen Wohnungsmarkt aber mal zackig ihren Lebensmittelpunkt zu finden haben? Die einen hatten das vielleicht nie vor, weil sie gut außerhalb des Autobahnrings und noch weiter weg leben und gerne pendeln, andere müssen sich vielleicht semesterweise auf Sofas von Freund*innen durchschlagen, weil es schlicht keine freien WG-Zimmer gibt. Nebenbei, warum es Aufgabe der Hochschulen sein soll, die Durchsetzung des Bundesmeldegesetzes zu überwachen, kann auch niemand erklären. Sind doch keine Polizeibehörden. Vom Verwaltungsaufwand bei Prüfung der Unterlagen und der anscheinend geplanten dann folgenden Ermahnung zur ordentlichen Anmeldung, brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Wenn Berlin denn so dringend auf das Kopfgeld des Bundes für die meldefaulen Studis angewiesen ist, kann der Senat doch das Willkommensgeld für Neuanmeldungen wieder einführen. Das wäre statt der bärbeißigen ideellen Knute zur Abwechslung mal ein positiver Anreiz und gleichzeitig eine gute Starthilfe, zum Beispiel, um die Kaution für eine Bude in der Stadt abzudrücken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen