Kommentar von Bernhard Pötter z um Weltklimaabkommen : Jetzt bloß nicht stehen bleiben
Die meisten Franzosen interessierte am Samstagabend – nein, nicht der Klimagipfel, sondern die Auslosung zur Fußball-EM. Die Équipe Tricolore trifft im Sommer zu Hause in der ersten Runde auf Rumänien, Albanien und die Schweiz. Das sollte machbar sein.
So ist das auch mit dem historischen Pariser Abkommen zum Klimaschutz. Es zeigt, wer der Gegner und was machbar ist. Auch wenn das Thema Erderwärmung immer wieder gern von anderen Themen verdrängt wird, jetzt ist es wieder zurück auf dem Platz. Und wie: Mit einem Vertrag, der zum ersten Mal alle Staaten bindet, der ehrgeizige Ziele setzt, der Hilfen für die Armen verspricht und einige Geburtsfehler des Kioto-Protokolls behebt. Das hätte noch am Morgen des letzten Tages niemand zu hoffen gewagt.
Aber fast noch wichtiger als der gute Inhalt des Abkommens ist, wie darüber geredet wird. Die Konferenz war am Ende effizient, schnell, begeisternd: Adjektive, die man sonst nicht mit Klimakonferenzen verbindet. Paris hat die Atmosphäre verändert. Und das ist wichtig. Denn Politik und Wirtschaft richten sich nach Erwartungen aus: Wurde jetzt hier das Ende der Fossilen eingeläutet? (Wahrscheinlich). Gibt es eine neue Aufgabenteilung im globalen Klimaschutz? (Ja). Ist die Welt jetzt gerettet? (Nein). Die gute Stimmung kann dafür sorgen, dass Klimaschutz kein Verliererthema bleibt. Sondern dass die globale Energiewende eine Erfolgsstory wird, weil Politiker und Investoren an sie glauben.
Dieser Glaube muss genährt werden. In Deutschland braucht es jetzt einen sozial abgefederten Ausstiegsplan für die Kohle. Die EU muss ihre Klima-Anstrengungen im nächsten Jahr gerecht auf alle Schultern verteilen. Weltweit müssen Erneuerbare gefördert, dreckige Subventionen abgebaut und die CO 2 -Steuer weiter vorangetrieben werden. Dann wachsen aus der Hoffnung von Paris reale Entscheidungen in Politik und Wirtschaft. Wer meint, wir können uns nun zurücklehnen, hat den Anpfiff von Paris nicht gehört.
Dieses Spiel ist noch nicht gewonnen. Die grüne Mannschaft hat nur gerade in der 70. Minute den Ausgleich erzielt. Um den Schwung bis zum Ende durchzuhalten, braucht sie einen langen Atem. Und laute Fangesänge aus dem Publikum.
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