Kommentar von Benno Schirrmeisterüber politische Kultur und Kulturpolitik: Nicht alles, was glänzt, ist gewollt
Momente der Schäbigkeit sind nicht zu übersehen im Umgang der Kulturverwaltung mit der Weserburg und dem Gerhard-Richter-Besitzer Georg Böckmann. Wenn Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD), nachdem sie Böckmann und dessen Schätze vergrämt der Weserburg nun die Publikumszuwächse als leuchtendes Beispiel vorhält, die Nürnberg mit jener Böckmann-Sammlung realisiert, ist das fies. Und es ist ungehörig, Menschen, mit denen man lange zusammengearbeitet hat, bei einer Anfrage ewig zu vertrösten, um sie dann auf Nachfrage doch abzuservieren.
Im Kern aber hat die Behörde richtig gehandelt: Ein zusammengetrickstes Geschäft mit Böckmann wäre ein Skandal gewesen. Klar hat die Kunstszene vor allem die großartigen Bilder vor Augen, die jetzt woanders hängen, und vielleicht trauert auch der eine oder der andere Touristiker um den zugkräftigen Namen Richter. Klar ist ein Verzicht auf bedeutende Kunstwerke ein Verlust für die Kultur in der Stadt.
Vor allem bedeutet er aber einen Gewinn an politischer Kultur. Denn: Bremens große Probleme haben mit Steuervermeidung zu tun. Es ist bekannt, dass die Stadt unter früheren Regenten ein Klima der Begünstigung dieses Tatbestandes aufgewiesen hat. Und dass Böckmann weiß, wie das geht, ist klar: Er ist ja Steuerberater. Er hat ja dadurch, dass er reichen Menschen und Unternehmen hilft, möglichst viel ihres Reichtums vor der gesellschaftlichen Umverteilung zu bewahren, so reich geworden, dass er sich Kunst vom Allerfeinsten kaufen kann.
Deren Preis steigt auch, weil er sie, dank steuerfinanzierter musealer Infrastruktur, ausstellen und erforschen lässt. Der Verzicht auf die Erbschaftssteuer bedeutet auf den eigenen Anteil an dieser Wertsteigerung zu verzichten – für ein wenig Glanz. In dem mag man sich in Nürnberg sonnen, wo Uli Hoeneß seine Wurstfabrik hat. In Bremen ist er nicht gewollt.
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