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Kommentar von Barbara Oertel zu den Ukraine-VerhandlungenFür Putin ist Diplomatie die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln

Donald Trump inszeniert sich wieder einmal als Friedenstifter. Ein sogenannter US-Plan, der den vollumfänglichen Krieg in der Ukraine nach fast vier Jahren beenden soll, wird seit der vergangenen Woche rauf und runter diskutiert.

Vor allem bei denjenigen, die seit Langem einer Verhandlungslösung das Wort reden, keimt Hoffnung auf. Vielleicht können das tägliche Sterben, Leiden und die massiven Zerstörungen in der Ukraine endlich gestoppt werden – kurzum all das Grauen, für das, wem es entfallen sein sollte, der russische Aggressor die Verantwortung trägt.

Doch darüber zu spekulieren, ob die kriegsverheerte Ukraine dem Frieden tatsächlich einen Schritt näher kommt und welchen Preis Kyjiw dafür letztendlich wird entrichten müssen, ist zumindest jetzt reine Zeitverschwendung. Denn noch enthält die Gleichung zu viele Unbekannte. Genaue Einzelheiten einer entschlackten Fassung des ursprünglichen Dokuments, an dessen Erarbeitung die Ukraine beteiligt war, werden der breiten Öffentlichkeit bisher leider vorenthalten. Genauso unklar ist, ob auch die Europäer ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben werden oder nicht. Angesichts dieser kaum noch zu überblickenden Wirrnis ist es geradezu wohltuend, dass es im Leben Konstanten gibt – Wladimir Putin sei Dank. Auf Russlands Präsidenten ist Verlass. Am Donnerstag ließ sich der Kremlchef dazu herab, der Welt seine Gedanken zu dem „Trump-Plan“ mitzuteilen. Und er redete Klartext, was man von vielen westlichen Po­li­ti­ke­r*in­nen nicht wirklich behaupten kann. Die Kämpfe würden nur eingestellt, so Putin, wenn sich die ukrainischen Truppen aus den von ihnen gehaltenen Gebieten zurückzögen. Täten sie das nicht, werde Moskau seine Ziele auf militärischem Wege erreichen.

Die kampflose Aufgabe von Teilen des Gebietes Donezk sollen die wichtigsten internationalen Akteure auch noch anerkennen – quasi eine Carte blanche, darunter macht es Putin nicht. Damit dürfte auch die Frage erneut beantwortet sein, ob er zu Verhandlungen bereit ist. Die Antwort ist ja, aber zu Verhandlungen, so wie Putin sie versteht und die sicherstellen, dass Moskau seine Forderungen in maximalem Umfang durchsetzen kann.

Apropos Verhandlungen: Der preußische Militärhistoriker Carl von Clausewitz definierte Krieg als eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Russlands Präsidenten verdanken wir eine interessante Erweiterung dieses Befundes, die da lautet: Diplomatie ist eine bloße Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Jetzt sind die Europäer am Zug. Nur zu reagieren, ist keine Option

Die Ukraine weiß aus eigener Anschauung nur allzu gut, was das bedeutet. Die Lage in den Gebieten, die russische Truppen völkerrechtswidrig besetzt haben, bietet Anschauungsmaterial genug. Die europäischen Verbündeten dürften diese grausame Realität ebenfalls zur Kenntnis genommen haben. Jetzt sind sie am Zug. Immer nur zu reagieren, ist keine Option – nicht nur um der Existenz der Ukraine willen, sondern auch der Sicherheit Europas.

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