piwik no script img

Kommentar über Folgen des KaukasuskriegsGescheiterte Autosuggestion

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Hinter dem rückwärtsgewandten Auftrumpfen Russlands verbergen sich Schwäche und Orientierungslosigkeit. Im Nachhinein erweist sich der kleine Ausritt als Sieg mit Langzeitfolgen.

N ach dem Kaukasuskrieg vor einem Jahr feierte Russland noch überschwänglich die Rückkehr ins Konzert der Großmächte. Moskau wollte der Welt zeigen, dass es wieder an vorderster Stelle mitmischt und auch Ansprüche nach eigenem Ermessen durchzusetzen versteht. Dem Kreml war nicht so sehr am Terraingewinn als am Aufpolstern des nationalen Selbstwertgefühls gelegen. Die Psychologie als treibende Kriegskraft spielte im Kaukasusfeldzug eine ähnliche Rolle wie in der Politik der europäischen Mächte des 19.Jahrhunderts. Doch der Siegestaumel ist längst der Ernüchterung gewichen.

Am Vorabend des Jahrestags wandte sich der russische Generalstabschef Nogowizyn mit einer vermeintlichen Sensation an die Öffentlichkeit: Die Armee hätte Dokumente erbeutet, die belegen würden, dass Georgiens Präsident Michail Saakaschwili den Überfall auf Südossetien von langer Hand geplant hätte. Geheimpapiere - erbeutet in Südossetien - sind grundsätzlich erst mal zweifelhaft. Aber darum geht es gar nicht.

Zu klären ist: Warum muss sich der Sieger überhaupt noch rechtfertigen? Zumal die russische Bevölkerung keine Fragen stellt und sich gerne an den Triumph erinnert. Die Antwort könnte lauten: Der kleine Ausritt erweist sich im Nachhinein als Sieg mit schwerwiegenden Langzeitfolgen. Die Elite spürt dies, gesteht das Versagen jedoch nicht ein. Um den Sieg zu retten, bläst sie den Popanz Georgien auf. Daher ist jeder über Tiflis ausgesprochene Fluch auch ein Moment der Autosuggestion.

Klaus-Helge Donath

ist taz-Korrespondent in Russland und den ehemaligen GUS-Staaten. Er lebt und arbeitet in Moskau.

Im August 2008 entpuppte sich Russland endgültig als revisionistische Kraft, die sich überholten Konzepten von Macht und Dominanz verschrieben hat. Der Versuch, die Nachbarschaft zu neutralisieren, um sie leichter für die eigenen Interessen zu manipulieren, schlug fehl. Nicht zuletzt durchkreuzte die EU mit dem Programm der "Östlichen Partnerschaft" das Ansinnen.

Die Ukraine, Georgien und Weißrussland wandten sich von Moskau ab. Diktator Lukaschenko weigerte sich gar, die turnusmäßige Leitung der Organisation für kollektive Sicherheit zu übernehmen, die Russland gerne zum Anti-Nato-Bündnis ausbauen würde. Auch gab keiner der Verbündeten dem Druck nach, Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten anzuerkennen. Entscheidend dabei dürfte das Misstrauen gewesen sein, das Moskau geweckt hatte, als es den Bewohnern der abtrünnigen Gebiete russische Pässe ausgehändigt und die Annexion als eine humanitäre Rettungsmaßnahme verkauft hatte.

Russische Minderheiten im "nahen Ausland" dürften dieses Misstrauen bald zu spüren bekommen. Die Kriegsfolgen wirken sich auch auf den instabilen Nordkaukasus aus. Tschetscheniens Provinzfürst Ramsan Kadyrow träumt heute schon von einem abchasischen Status. Selbst das treue Armenien, das unter der Blockade Georgiens stark zu leiden hatte, sucht Kontakt zu den Erzfeinden Türkei und Aserbaidschan. Zu guter Letzt wenden sich auch die zentralasiatischen Autokraten ab.

Für diese war Moskau nach den farbigen Revolutionen in der Ukraine und Georgien noch Garant des Status quo. Jetzt wird die Kremlpolitik des Rollback zur Bedrohung. Der Wandel lässt sich an der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) ablesen, der neben China und Russland auch die Zentralasiaten angehören. China ermutigte sie, sich der russischen Forderung nach Anerkennung der Separatisten zu widersetzen. Bislang hatte China die russische Führungsrolle aus Rücksicht auf Moskauer Empfindlichkeiten akzeptiert. Das Blatt wendet sich.

Die rückwärtsgewandte Politik des Auftrumpfens sollte nicht als Stärke Russlands verstanden werden. Schwäche und Orientierungsverlust verbergen sich dahinter. Mit dem Kaukasuskrieg wurde die multipolare Weltordnung sichtbar. Russland gehörte zu ihren leidenschaftlichsten Protagonisten.

Doch nun spürt es, dass sein der Vergangenheit entlehntes machtpolitisches Instrumentarium dieser Ordnung nicht mehr angemessen ist. Das neue globale System benötigt wachsende politische und wirtschaftliche Vernetzung und Kompromissbereitschaft. Weder der politischen Elite noch der Gesellschaft Russlands behagt diese Aussicht. Der Georgienfeldzug hat also nicht dazu beigetragen, dass sich das Land weniger verunsichert und bedroht fühlt. Im Gegenteil!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • JF
    Joss Fritz

    @Jamesf

     

    Herr Donath ist im Auftrag des Herrn in Russland unterwegs, wie viele seiner Artikel beweisen.

    Ich finde es erstaunlich, dass die einseitige Berichtertattung in der taz möglich ist.

    Selbst Thomas Roth (ARD) musste vor ein paar Tagen zähneknirschend eingestehen, das der Georgier Sackarschwilli der Agressor war.

    Wenn ich Informationen über Russland haben will, dann ist die taz schon lange nicht mehr meine erste Quelle. Schade eigentlich.

  • DG
    Dirk Gober

    Es ist ohnehin seltsam, wie sich die "anständige" taz nicht scheut, Dinge zu publizieren, die schlicht und einfach nicht nur falsch, sondern offensichtlich gelogen, verdreht und entstellt sind. Welches seriöse Organ - natürlich gibt es laut Selbstbild kein anderes außer der taz - leistet es sich sonst, solche "Artikel" zu veröffentlichen. Von den rassistischen Haßtiraden eines Rathfelder ganz zu schweigen. Aber so ist das eben: Wahrheit ist das, was uns Linke als Wahrheit verkaufen wollen. 1984 droht nicht von den Konservativen, sondern von den Selbstherrlichen.

  • J
    jamesf

    Was soll man denn bitte von einem Journalisten halten der nach einem Jahr noch immer nicht mitbekommen hat, dass Georgien den Krieg angefangen hat?

    Was macht man so als Moskau Korrespondent denn die ganze Zeit? Schiffreisen an der Wolga?

  • GV
    Gerald Veeh

    zumindest haben die russen jetzt begriffen, dass die amerikaner nicht mehr in der lage sind, den auf- und ausbau der ISS alleine mit ihren völlig veralteten SPACE SHUTTLE zu gewährleisten.

     

    bedingt durch die klimakathastrophe sind diese flieger nicht mehr in der lage, eine art überlebenszelle für die menschheit zu schaffen.

     

    solche projekte sollten global angepackt werden.

     

    die chinesen reden von einer mondstation im jahre 2023 usw. usw.

    Daß sie jetzt auch noch die einführung einer 2-kind ehe planen, grenzt an wahnsinn.

     

    es ist schon länger bekannt, daß unser ach so geliebter planet erde in absehbahrer zeit von mehreren meteoren und meteoriten getroffen werden wird.

     

    die ISS selbst befindet sich in einem traurigen zustand.

    man hat neulich sogar festgestellt, dass urin nach einer filterung trinkbar ist.

     

    hier hätte man sich auch mal von katja eppstein beraten lassen können.

     

    Die ISS ist völlig mit elektronik überlastet und genauso störanfällig wie die tollen autos aus teutschland.

     

    wer denkt noch an den guten alten VW golf mit startautomatik nach ampelhalt, freilauf bei bergabfahrt usw.

     

    dieses auto war sehr sparsam und jeder einigermaßen geübte schrauber konnte sein auto noch selbst reparieren.

     

    solche sachen kann man als systemdenker ohne weiteres auf die ISS übertragen.

     

    traurig, traurig aber wahr.

     

    *-Gerald Veeh-#

  • GV
    Gerald Veeh

    zumindest haben die russen jetzt begriffen, dass die amerikaner nicht mehr in der lage sind, den auf- und ausbau der ISS alleine mit ihren völlig veralteten SPACE SHUTTLE zu gewährleisten.

     

    bedingt durch die klimakathastrophe sind diese flieger nicht mehr in der lage, eine art überlebenszelle für die menschheit zu schaffen.

     

    solche projekte sollten global angepackt werden.

     

    die chinesen reden von einer mondstation im jahre 2023 usw. usw.

    Daß sie jetzt auch noch die einführung einer 2-kind ehe planen, grenzt an wahnsinn.

     

    es ist schon länger bekannt, daß unser ach so geliebter planet erde in absehbahrer zeit von mehreren meteoren und meteoriten getroffen werden wird.

     

    die ISS selbst befindet sich in einem traurigen zustand.

    man hat neulich sogar festgestellt, dass urin nach einer filterung trinkbar ist.

     

    hier hätte man sich auch mal von katja eppstein beraten lassen können.

     

    Die ISS ist völlig mit elektronik überlastet und genauso störanfällig wie die tollen autos aus teutschland.

     

    wer denkt noch an den guten alten VW golf mit startautomatik nach ampelhalt, freilauf bei bergabfahrt usw.

     

    dieses auto war sehr sparsam und jeder einigermaßen geübte schrauber konnte sein auto noch selbst reparieren.

     

    solche sachen kann man als systemdenker ohne weiteres auf die ISS übertragen.

     

    traurig, traurig aber wahr.

     

    *-Gerald Veeh-#

  • G
    gregor

    Taz schreibt: "Im August 2008 entpuppte sich Russland endgültig als revisionistische Kraft, die sich überholten Konzepten von Macht und Dominanz verschrieben hat." +++ An allem sind die Kommunisten schuld. Und wenn es keine mehr gibt, dann eben die russischen Imperialisten. Fertig ist das Liedchen. Umso schöner die Überraschung, wenn man begreifen kann, dass an dem revisionistischen Drang in Wirklichkeit Georgien leidet. Tiflis träumte doch von den alten sowjetischen Grenzen als man Zchinwali bombardierte. Man weigert sich die Realität zu akzeptieren, dass mit der Sowjetunion auch das georgische Großreich mit unter gegangen ist. Somit zeigt sich Russland in Wirklichkeit als eine antirevisionistische Kraft, die Georgien davor bewahrt, durch die nicht mehr zeitgemäßen Vorstellungen von den alten Sowjetgrenzen und Privilegien, den Kopf nicht zu verlieren. Wenn Georgien Freunde im Westen hat, dann ist es die Pflicht dieser Freunde Georgien zu helfen, die neuen Tatsachen zu begreifen und nicht einfach das liebe Liedchen mitsingen - An allem sind die Russen schuld.