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Kommentar taz und OpenleaksDer konstruktive Verrat

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Am Mittwochnachmittag startet die taz zusammen mit Openleaks ein Whistleblower-Portal. Sie soll Tippgeber schützen. Denn die sind bitter nötig als demokratisches Korrektiv.

E ndlich geht ein international angelegter Nachfolger von Wikileaks an den Start. Die neue Website heißt Openleaks, ein Teil seiner Macher stammt von der bekannten, aber de facto stillgelegten Enthüllungsplattform Wikileaks. Auf einem internationalen Treffen von Computerspezialisten wird es an diesem Mittwoch vorgestellt. Dort soll Openleaks von Hackern geprüft werden: Ob es eine Lücke in der Sicherheitsarchitektur hat und wo es verbessert werden kann.

Wer auch immer über die neue Plattform etwas an die Öffentlichkeit bringt, will und muss anonym bleiben. Denn Openleaks ist keine Plattform für solche Whistleblower, die sich entscheiden, namentlich Missstände in ihrem Unternehmen oder ihrer Behörde anzuprangern.

Openleaks ist für heimliche Tippgeber. Daher weist die Plattform diverse technische Finessen auf, um die Herkunft der Informationen zu verschleiern. Auch die taz-Website musste dafür umorganisiert werden, damit Tippgeber, die über taz.de auf den Whistleblower-Server kommen, nicht identifiziert werden können. Selbst wenn alle beteiligten Rechner beschlagnahmt werden, soll niemand zurückverfolgen können, woher die Dokumente stammen.

taz
REINER METZGER

ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Warum dieser Aufwand? Immer umfangreicher werden Unterlagen wie Verträge, immer mehr Beweise stehen, wie etwa Videos, überhaupt nur auf Computerfestplatten zur Verfügung und müssen von dort versandt werden. Und immer ausgefeilter wird die Überwachungstechnik des Staates. Aber auch private Firmen versuchen mit großem technischen Aufwand, mit interner Überwachungssoftware oder externen Detektiven, potenzielle Lecks zu stopfen.

Wer erwischt wird, der fliegt. Im besten Fall. Wenn er Pech hat, wandert er ins Gefängnis, wird psychisch fertig gemacht oder seiner Existenzgrundlage beraubt.

Nicht jeder kann und will dieses Risiko eingehen, als Whistleblower an die Öffentlichkeit zu treten. Und nicht jeder potenzielle Tippgeber vertraut den Medien. Hier kann Openleaks helfen.

Konstruktiver Verrat

Denn die Zahl der Skandale und Missstände wird ja nicht geringer. Nach welchen Kriterien hat die Bundesregierung eine Bank wirklich gerettet? Was verdient Vorstand X? Wann wusste wer von der Gefährlichkeit eines Produktes? Mit welchen Argumenten werden Waffenlieferungen genehmigt?

Auch die heutige Gesellschaft braucht den konstruktiven Verrat. Und sie bietet neue Möglichkeiten, die Mächtigen zu kontrollieren. Dadurch, dass die Whistleblower unerkannt bleiben, wird es hoffentlich mehr davon geben als bisher.

Openleaks allein wird da nicht reichen. Es muss eine Kultur des Leakens etabliert werden, eine breite Auswahl von solchen Plattformen entstehen: auf bestimmte Themen spezialisierte, wie etwa das schon bestehende Greenleaks für Umweltthemen; in manchen Sprachen starke, auf Personen fokusierte usw. Denn eine einzelne Website genügt nicht, das hat Wikileaks gezeigt. Eine einzelne Seite kann ausgeschaltet werden, eine einzelne Person kann nie auf Dauer für etwas garantieren.

Wenn der Staat es nicht schafft und auch gar nicht schaffen will, Whistleblower wirksam zu unterstützen, kann vielleicht die Technik helfen, das soziale Netz. Verbreiten Sie die Kunde von Openleaks, liebe Leserinnen und Leser. Und vielleicht wissen Sie ja selbst etwas, das wir erfahren sollten.

Wir als Nachrichtenmedium sind dann in der Verantwortung, zu prüfen, was ein unzulässiger Verrat an Geschäftsgeheimnissen, ein lebensgefährdender Geheimnisverrat ist und was nicht; welche Informationen von gesellschaftlicher Relevanz sind und wo es um Denunziantentum geht, wo das Informationsrecht überwiegt und wo das Persönlichkeitsrecht Einzelner. Solche Prüfungen sind nötig, weil auch Enthüller checks and balances brauchen. Das wird eine Gratwanderung sein - aber das ist Enthüllungsjournalismus immer.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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7 Kommentare

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  • T
    taz-Moderation

    @ MJP

     

    Kopierte Daten hinterlassen auf den Datenträgern (z.B. USB Stick oder CD) sogenannte Metadaten, die Auskunft über den Absender geben können. Wenn man sich auskennt und diese löscht, kann man uns auch eine CD schicken.

     

    Liebe Grüße

    taz-Moderation

  • S
    Silvia

    Perversion in Hochpotenz

     

    OPENLEAKS ist ein Zeichen für eine wertelos gewordene Gesellschaft. Denunziantentum wird geprießen statt angeprangert. Wo bleibt der Aufschrei der Humanisten??? Ich will und kann nicht glauben, dass eine solche Perversion möglich geworden ist in Deutschland. Dem Missbrauch und der Feigheit werden Tor und Tür geöffnet. Man wird sich noch wundern über die Folgen...

  • M
    MJP

    "Wer auch immer über die neue Plattform etwas an die Öffentlichkeit bringt, will und muss anonym bleiben. Denn Openleaks ist keine Plattform für solche Whistleblower, die sich entscheiden, namentlich Missstände in ihrem Unternehmen oder ihrer Behörde anzuprangern."

     

    Und warum steck ich dann nicht einfach eine CD mit den Daten in einen Briefumschlag und schicke ihn ohne Absender zu euch? Ist ja nicht so, dass hier Schlapphüte neben den Brieflästen stehen würden...

  • L
    Logi

    "Openleaks ist keine Plattform für solche Whistleblower, die sich entscheiden, namentlich Missstände in ihrem Unternehmen oder ihrer Behörde anzuprangern"

     

    Naja, in diesem Fall müsste die Plattform doch eigentlich "HiddenLeaks" oder "AnonymousLeaks" heißen. Oder?

  • RM
    Reiner Metzger

    @ Lutz: richtig, wer kontrolliert die Kontrolleure, in dem Fall die Medien? Es ist eben ein eingespieltes System zum Erreichen der "breiten Öffentlichkeit".

    Beispiel Wasserverträge Berlin. Die wurden unserem Redakteur zugespielt. In dem Fall haben wir sie komplett veröffentlicht. Haben sich ein paar hundert Leute runtergeladen, wieviel sie dann auch gelesen haben, unbekannt. Aber die zugehörigen Artikel haben Zehntausende gelesen.

    Außerdem: Da wir als Zeitung eine Adresse haben und in Haftung stehen, können wir gar nicht anders, als das Presserecht zu beachten. Das ist aber auch sinnvoll: Es muss meines Erachtens halt vor dem Veröffentlichen jemand drübersehen über die Daten, damit nicht Personen gefährdet und die Privatsphäre verletzt wird. Die Leaks-Bewegung hat hier die Grenzen zu mehr Offenheit verschoben, aber diese Grenzen nicht aufgehoben. Finde ich.

    Reiner Metzger, taz chefredaktion

  • SJ
    Simon Jaeger

    GEHEIMNISSE SIND NICHT VON DAUER, DAS LICHT KOMMT BESTIMMT

     

    Mt 10:26-27 (Luth) Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.

     

    Mk 4:22 (Bru) Denn es ist nichts so verborgen, das nicht einmal offenbar wird, und es ist nichts Heimliches, das nicht an den Tag kommen wird.

  • L
    Lutz

    Ja und wer kontrolliert euch beim abwägen was ihr uns dem Volk in eurer Mächtigkeit eröffnet und was nicht.

    Was zB. wenn einer Informationen über kriminelle Geschäfte und Betrug eurer Hausbank an vielen Kunden an euch sendet.

    Ich sehe in Deutschland kein einziges Medium das sich wirklich kompromisslos ehrlich gegen die Elitenkastenmafia stellt.

    Bei euch zB. ist ja freie wirklich ehrliche kritisch anständige Meinungsäußerung über Israel und Juden nicht möglich.

    Das Gleiche gilt für den Euro und die EU.