Kommentar (siehe S.4 und 22): Sozialreform muß sein
■ Leben mit HIV zeigt Mängel im System
Ein überkommenes System darf nicht konserviert werden. Deshalb haben die Aids-Kranken und HIV-Infizierten bei ihrer Bremer Bundesversammlung die Vorschläge der Bundesregierung zur Rentenreform abgelehnt. Die Koalition hält an der Fiktion einer lebenslangen Erwerbsarbeit als Grundlage für die Alterssicherung fest. Das ist absurd, nicht nur für die zumeist jungen HIV-Infizierten. In Zeiten, in denen Millionen gesunder Menschen dauerhaft arbeitslos sind und Kinder schon in zweiter und dritter Generation in der Sozialhilfe aufwachsen, taugt das System grundsätzlich nicht mehr.
Am Beispiel der HIV-Infizierten zeigen sich die Schwächen des starren Systems der sozialen Sicherung aber besonders kraß. Bestimmte Fälle, die in der Realität vielfach vorkommen, sind nicht vorgesehen. So orientiert sich die Sozialhilfe immer noch an der Vision von der fünfköpfigen Familie und verweigert alleinstehenden chronisch Kranken eine Waschmaschiene. Und wenn ein HIV-Infizierter nach den jüngsten Therapieerfolgen wieder aus der Rente ins Arbeitsleben wechseln möchte, dann tillt das System.
Auch die Pflegeversicherung, die ebenfalls an eine Erwerbstätigkeit gekoppelt ist, zielt an jungen chronisch Kranken und Behinderten glattweg vorbei. Diese Menschen – und grundsätzlich auch alle anderen – brauchen den Anspruch auf eine steuerfinanzierte Grundsicherung, die nach Bedarf aufgestockt wird. Joachim Fahrun
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