Kommentar rot-grüner Koalitionsvertrag: Sieg der Grünen
Die hessischen Grünen haben sich in den Koalitionsverhandlungen weitgehend durchgesetzt. Damit ist der innerparteiliche Streit in der SPD schon vorprogrammiert.
D ie rot-grüne Koalition in spe steht, der Koalitionsvertrag ist ausgehandelt. Die Gewinner sind eindeutig die Grünen. Sie stellen den Minister im Zukunftsressort Umwelt plus Energie sowie die Ministerin im Schlüsselressort Bildung. Und dem "Solarpapst" Hermann Scheer von der SPD, der zu gern Umwelt- und Energieminister geworden wäre und jetzt mit dem Wirtschaftsministerium bedacht wurde, wird ein grüner Staatssekretär zur Seite gestellt - ein passionierter Flughafenausbaugegner. Maximale Beute für die Grünen an der Personalfront.
Bei der SPD hingegen sind nicht wenige Genossen schon jetzt frustriert. Damit ist der Streit vorprogrammiert. Den aber kann sich Andrea Ypsilanti eigentlich nicht leisten - bei den ganz knappen Mehrheitsverhältnissen im Landtag und angesichts ihrer nun für den 4. November avisierten Wahl zur neuen Ministerpräsidentin.
Auch inhaltlich wird der Koalitionsvertrag von "grünen Seiten" dominiert. Beim Streit um den Ausbau der Flughäfen in Frankfurt und in Kassel haben die Grünen im Prinzip obsiegt. In Kassel wird nicht neu gebaut, in Frankfurt das totale Nachtflugverbot angestrebt und bis maximal Ende 2009 kein Baum gefällt.
Das ist ein Affront gegen die bedingungslosen Ausbaubefürworter in der SPD um den konservativen Kontrahenten von Ypsilanti, Jürgen Walter. Der sollte eigentlich Wirtschaftsminister werden, doch das wird jetzt Hermann Scheer. Und Walter, der auch eingebunden werden sollte, wird nichts. Kluge Personalentscheidungen sehen anders aus.
Hinzu kommt: Alles, was SPD und Grüne in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben, steht unter Finanzierungsvorbehalt. Die noch geschäftsführend amtierende Regierung von Roland Koch hinterlässt nicht nur einen Schuldenberg, sondern auch ein aktuelles Haushaltsloch von fast 1,5 Milliarden Euro. Von den Folgen der Finanzkrise nicht zu reden. Man wird also ganz kleine Brötchen backen müssen in Wiesbaden. Ob die Linke, die 25.000 neue Arbeitsplätze geschaffen und "Härten" der Regierung Koch im Sozialbereich wieder abgeschafft sehen will, davon satt wird? In trockenen Tüchern hat Andrea Ypsilanti ihre Koalition also noch lange nicht.
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