piwik no script img

Kommentar neuer Präsident in SlowenienOhrfeige für die Neoliberalen

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Die rechte Regierung hat ohne Not tiefe Einschnitte ins soziale Netz vorgenommen. Dafür erhielt sie nun die Quittung. Danilo Türk wird Slowenien angemessen in Europa repräsentieren.

E in bisschen Angst musste man in den letzten Jahren um Slowenien schon haben. Die Regierung Janez Jansa wollte mit aller Gewalt und ohne Not das seit der Unabhängigkeit wirtschaftlich erfolgreiche Land auf neoliberalen Kurs trimmen. Dies bedeutete nicht nur Einschnitte in das soziale Netz, sondern auch bei der bisher in vielfältiger Weise vorbildlichen Sozialpartnerschaft. Sie duldete sogar erhebliche Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen gegen Roma. Und sie scheute sich nicht davor, Druck auf die Medien auszuüben. Unliebsame und kritische Journalisten mussten ihre Schreibtische räumen. Die vielfältigen Proteste der letzten Monate nützten nichts.

Bild: dpa

Erich Rathfelder ist Korrespondent der taz in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien

Am Sonntag nun haben die Wähler der Regierung einen gehörigen Denkzettel verpasst. Indem sie den Sozialdemokraten und Staatsrechtler Danilo Türk mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten wählten, war nicht vordringlich der Gegenkandidat und Europaabgeordnete Peterle abgestraft, sondern vor allem der Regierungschef Janez Jansa selbst. Der hatte zu allem Übel auch noch damit angefangen, die Geschichte der letzten Jahrzehnte umzudeuten und sich das Verdienst, das Land 1991 in die Unabhängigkeit von Jugoslawien geführt zu haben, allein ans Revers zu heften. Dabei war es doch der populäre Exkommunist Milan Kucan gewesen, der damals die slowenische Politik leitete. Vielen ging das zu weit und sie wählten jemand, der als ehemaliger UN-Funktionär das Land in Europa repräsentieren und die EU-Führerschaft glaubwürdig übernehmen kann.

Innenpolitisch hat das Amt des Präsidenten zwar nur wenig Macht, aber ein großes moralisches Gewicht. Und so wird Slowenien bis zu den Parlamentswahlen 2008 von einer Art Kohabitation geprägt. Das ist kein Umsturz, aber immerhin sind dem konservativ-rechten Lager durch ein wiedererstarktes linksliberales Lager Grenzen gesetzt worden. Für die nächsten Parlamentswahlen bedeutet die Wahl Türks aber noch keine Entwarnung. Die 20 Prozent offenen Anhänger der Rechtsradikalen und Populisten sind der Wahl großteils ferngeblieben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!