Kommentar nach Haider-Tod: Talentierter Volksverhetzer
Ob das rechte Lager nach Jörg Haiders Abgang gestärkt oder geschwächt wird, hängt in erster Linie davon ab, wer in Österreich die nächste Regierung bildet.
K ann man den Politiker Jörg Haider ersetzen? Eine Partei, die wie das BZÖ als One-Man-Show funktioniert und geleitet wird, ist schwer unter neuer Führung vorstellbar. Denn sie wurde weniger durch eine ideologische Linie oder eine politische Programmatik zusammengehalten als durch Haiders Bedarf an hündisch ergebenen Adlaten und aufopferungsvollen Fans, die das Tagesgeschäft erledigten. Der Chef hüpfte währenddessen von einem Event zum nächsten.
Ralf Leonhard ist Österreich-Korrespondent der taz.
Haider konnte bei Trachtenvereinen ebenso auftreten wie bei einer Benefizveranstaltung für Frauenhäuser, einem slowenischen Kulturverein oder dem Veteranentreffen der Waffen-SS und jeweils verbindliche Worte finden. Als Kärntner Landeshauptmann konnte er sich in staatsmännische Pose werfen und gegen angeblich kriminelle Asylbewerber mobilisieren, die er dann auf einer entlegenen Alm internieren ließ. Das macht ihm keiner nach. Deswegen überwiegen auch jene Auguren, die seiner verwaisten Partei keine große Zukunft voraussagen. Um die halbe Million Wähler, die am 28. September ihr Kreuzchen beim BZÖ machten und mehrheitlich Jörg Haider meinten, wird ein "Erbfolgekrieg" zwischen ÖVP und FPÖ ausbrechen. Gleichzeitig werden viele Anhänger Haiders ins Lager der Nichtwähler abdriften, weil ihnen die FPÖ zu rabiat und die ÖVP zu langweilig ist.
Ob das rechte Lager nach Haiders Abgang gestärkt oder geschwächt wird, hängt in erster Linie davon ab, wer die nächste Regierung bildet. Sollte es, wie allgemein erwartet, zu einer Neuauflage von Rot-Schwarz kommen, müssen die zu Mittelparteien geschrumpften ehemals staatstragenden politischen Kräfte ihre Performance deutlich verbessern. Blockieren und sich gegenseitig Beinchen stellen, wie in den letzten zwei Jahren, kann nur zum weiteren Verfall von SPÖ und ÖVP beitragen und die Wähler in die Arme von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache treiben, der nicht zu Unrecht als Klon des jungen Haider beschrieben wird. Als stimmenmaximierender Volksverhetzer hatte Haider schon einen Erben gefunden, als er noch am Leben war.
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