piwik no script img

Kommentar moderne SklavereiZu viele Schlupfwinkel für Kriminelle

Kommentar von Juliane Preiß

Das Problem des Menschenhandels in der Bau- und Gastronomie-Branche ist bekannt. Es wird aber von der Politik geflissentlich ignoriert.

Bauarbeiter oder auch „mobiler Beschäftigter“, oder Sklave krimineller Arbeitsvermittler Foto: dpa

I m Behördensprech heißen sie „mobile Beschäftigte“. Nennen wir sie, was sie sind: Sklaven. Sie bedienen uns im Restaurant, sie pflücken unsere Erdbeeren und sie schuften auf den Baustellen. Gelockt mit dem Versprechen, gutes Geld zu verdienen, werden sie massenweise aus Osteuropa in Kleinbussen herangekarrt, um hier unter menschenunwürdigen Umständen zu leben und sich ausbeuten zu lassen.

Das Problem des Menschenhandels in der Baubranche ist bekannt, wird aber von der Politik geflissentlich ignoriert. Befeuert wird es durch die Ausschreibungspraxis, bei der meist das günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Subunternehmen werden beauftragt, die wieder Subunternehmer beschäftigen – ein unüberschaubares Netz, mit zu vielen Schlupfwinkeln für kriminelle Machenschaften.

Das Bundeskriminalamt hat im Jahr 2017 elf Ermittlungsverfahren im Bereich der Arbeitsausbeutung abgeschlossen. 180 Opfer meist aus Osteuropa wurden ermittelt, die meisten davon in der Baubranche, aber auch in der Gastronomie, der Fleischverarbeitung oder Hausarbeit. Die Zahl der modernen Sklaven in Deutschland wird auf rund 167.000 geschätzt. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Dass so wenige Verfahren zustande kommen, liegt auch daran, dass die Betroffenen kaum Deutsch sprechen und von ihren „Vermittlern“ bedroht werden. Die „mobilen Beschäftigten“ sind erpressbar, auch weil meist mehrköpfige Familien auf das Geld aus Deutschland warten.

Neben den Beratungsstellen für die Arbeiter, wie in Niedersachsen oder Bremen, müsste es unabhängige Berichtstellen geben, die Ausbeutungsfälle erfassen, um die Dimensionen offenzulegen. Und das Geflecht aus Werkverträgen und Subunternehmen müsste entdröselt werden. Eine Lösung für das Problem wird es aber kaum geben, solange viele davon profitieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!