Kommentar geschlossene Heime: Die Mauer muss weg
Keine Studie belegt, dass geschlossene Heime die Kinder lebensfähiger machen als offene.
E s hat keine ganz großen Katastrophen gegeben, knapp zwei Jahre nach Start des geschlossenen Heims in Lohne. Mehr Schlüsse lässt die am Freitag vorgestellte Bilanz nicht zu. Vieles am Konzept erinnert an das Heim in der Hamburger Feuerbergstraße, das nach Skandalen vor gut drei Jahren dicht gemacht wurde.
Auch von dort gab es zuerst unaufgeregte Bilanzen, bevor ein Untersuchungssauschuss einen ganz anderen Einblick bot. Etwa, dass Jugendliche mit Medizin ruhig gestellt wurden. Die Berichte aus Lohne über Fluchtversuche und Übergriffe auf Betreuer lassen da aufmerken.
Ein geschlossenes Heim mit meterhoher Mauer ist konservative Symbolpolitik. Sicher gibt es Jugendliche, die Halt brauchen und verbindliche Einrichtungen. Aber Mauern müssen es nicht sein.
Der ausgeübte Freiheitsentzug ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Jugendlichen. Will man nicht, dass Eltern ihre Kinder wegsperren, dürften es staatlich legitimierte Betreuer auch nicht tun, schon gar nicht im zarten Alter von zehn Jahren.
Ob sich so ein Konzept bewährt, kann man seriös erst nach Jahren sagen, und auch nur, wenn eine Vergleichsgruppe von jungen Menschen in offenen Wohngruppen lebt. Keine Studie belegt, dass geschlossene Heime die Kinder lebensfähiger machen als offene. Aber sie haben eine negative Ausstrahlung auf die Jugendhilfe insgesamt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden