Kommentar abgesagte Börsenfusion: Die Gefahr ist nicht gebannt
Das Kartellrecht ist das falsche Mittel, mit Monopolisten wie den Börsen in Frankfurt und London umzugehen. Diese sollten dem Staat gehören.
D ie Hochzeit der Giganten ist abgesagt: Die Deutsche Börse in Frankfurt darf nicht mit der Londoner Börse LSE fusionieren. Die EU-Kommission fürchtete, dass sich ein Monopol bilden könne. Diese Begründung suggeriert allerdings, dass die beiden Börsen bisher harte Konkurrenten gewesen wären.
Am eigentlichen Problem geht diese EU-Analyse leider völlig vorbei: Wettbewerb gab es zwischen den Börsen auch bisher nur höchst eingeschränkt. Tatsächlich hätten sich zwei Monopolisten zusammengetan – und gemeinsam ihr Gebiet erweitert.
Börsen sind seltsame Unternehmen. Sie sind keine Betriebe wie etwa eine Autofabrik, die sich in der Konkurrenz bewähren und um jeden Käufer kämpfen müssen. Große Börsen müssen ihre Kunden nicht suchen – die Kunden kommen automatisch zu ihnen. Denn Handelsplätze sind nur attraktiv, wenn sie eine große „Markttiefe“ besitzen, wenn dort also viele Banken ihre Geschäfte tätigen. Denn der hohe Umsatz garantiert, dass jedes Wertpapier in Sekundenschnelle umgeschlagen werden kann.
Große Börsen besitzen also eine Art Monopol, was sich auch in ihren Gewinnen spiegelt. Die Deutsche Börse in Frankfurt verzeichnete 2016 die sagenhafte Umsatzrendite von 28,24 Prozent. Derartige Gewinnmargen erreicht kein normales Unternehmen. Die bizarre Konsequenz: Die Deutsche Börse ist zwar nur eine Handelsplattform, hat es aber trotzdem geschafft, in den DAX aufzusteigen. Sie gehört zu den 30 wichtigsten Aktiengesellschaften in Deutschland, obwohl sie nichts Substanzielles produziert.
In der ökonomischen Theorie ist längst geklärt, wie mit Monopolen zu verfahren ist, die sich nicht abschaffen lassen, weil dieses Modell nun mal am besten funktioniert: Diese Betriebe sollten dem Staat gehören, damit die Monopolgewinne dem Gemeinwesen zugute kommen. Reines Kartellrecht, wie es jetzt die EU-Kommission anwendet, reicht jedenfalls nicht.
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