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Kommentar ZypernWährungsunion wird Schreckensregime

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Das eigentliche Exempel wird nicht an Zypern, sondern an Europa durchexerziert. Es zeigt, was passiert, wenn sich die Eurochefs über ganze Länder erheben.

A n Zypern wird gerade ein Exempel statuiert. Die Frage ist nur, welches. Offiziell geht es darum, ein angeblich untragbar gewordenes Geschäftsmodell abzuwickeln. Mit Geldwäsche, Steuerbetrug und Zockergeschäften soll endlich Schluß sein. Finanzminister Schäuble gibt sich nicht zuletzt deshalb so hart, weil er von SPD und Grünen getrieben wird. Es ist schließlich Wahlkampf in Deutschland, jeder möchte mal Schulmeister spielen.

Doch in Wahrheit geht es schon längst nicht mehr darum, die „Russen-Mafia“ zu bändigen oder der Insel ein „neues Geschäftsmodell“ zu verpassen (welches denn?). Das sind bloß Nebenkriegsschauplätze. Das eigentliche Exempel wird nicht an Zypern, sondern an ganz Europa durchexerziert. Es zeigt, was passiert, wenn sich die Eurochefs zu Herren über Politik und Wirtschaft ganzer Länder erheben.

Die versuchte Zwangsenteignung der zyprischen Sparer war dabei nur der Anfang. Kaum dass der offenbar in Berlin ausgeheckte Angriff auf die Kleinsparer (und die EU-weite Einlagensicherung) abgewehrt war, kam gleich die nächste Attacke, diesmal aus Frankfurt: Die Europäische Zentralbank setzte Zypern die Pistole auf die Brust und stellte ein Ultimatum: Bis zum heutigen Montag muss Nikosia einlenken, sonst wird der Geldhahn zugedreht. Zudem forderte sie Kapitalkontrollen auf der Insel.

Bild: privat
Eric Bonse

ist Korrespondent der taz in Brüssel. Sein Schwerpunkt ist die Finanz- und Eurokrise.

In der Praxis ist der Euro auf Zypern damit nichts mehr wert; die Insel ist vom Zahlungsverkehr der Eurozone abgeschnitten. Zudem hat die EZB ihre eigene Maxime verraten, alles zu tun, um den Euro und seine Mitglieder zu retten. Und das ohne Not: Denn nachdem die Stützung der Pleiteinsel bereits um neun Monate verschleppt wurde (der Hilfsantrag kam schon im Juni 2012), kommt es auf einen Tag mehr oder weniger nun auch nicht mehr an.

Von den Folgen dieser Willkür dürfte sich Europa nicht so schnell erholen. Die Euroretter sind völlig unberechenbar geworden. Was sie gestern sagten, gilt heute schon nicht mehr. Künftig scheint alles möglich. Auch wenn Zypern doch noch in letzter Minute „gerettet“ werden sollte, so weiß nun jeder: Auf Recht und Gesetz kann man sich nicht mehr verlassen. Am Ende zählt nur, was Berlin will - und was Frankfurt zulässt. Aus der Währungsunion ist ein Schreckensregime geworden. Und zwar nicht nur für die Zocker auf Zypern.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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5 Kommentare

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  • B
    Blautopf

    "Kaum dass der offenbar in Berlin ausgeheckte Angriff auf die Kleinsparer"

     

    Herr Bonse, ich lese seit Tagen allüberall in den Zeitungen, höre in den Nachrichtensendungen, dass es die zypriotische Regierung war, die diesen Angriff ausheckte. Das wäre auch immerhin nachvollziehbar, weil die Zyprioten ihr Geschäftsmodell - vermutlich in Ermangelung eines anderen - wahrscheinlich gern so weit als möglich erhalten möchten, und deshalb möchten sie sich das Vertrauen ihrer vermögenden Klientel notfalls zu Lasten ihrer eigenen weniger vermögenden Landsleute erkaufen. Auf denselben Grund dürfte übrigens wohl auch der Plan der zypriotischen Regierung zurückzuführen sein, die die Alterssicherung ihrer Bevölkerung zur Bankenrettung heranzuziehen

     

    Wo, bitte, könnten denn die Interessen der deutschen Regierung (und der Regierungen der anderen Länder, die ebenfalls mitentscheiden) liegen, das Vertrauen von Kleinsparern in die europäische Einlagensicherung zu beschädigen, was zweifellos geschähe, wenn man aus Berlin darauf drängen würde, diese Garantien zu unterlaufen?

     

    Wenn sie "offenbar" noch gestern andere Informationen hatten, könnten Sie dann dafür dann bitte irgendeine Quelle angeben?

     

    Sollte das nicht der Fall sein, kann ich mich nur wundern, wie es möglich ist, dass bei der taz von Leuten Wirtschaftskommentare verfasst werden, die zum Thema ihres Kommentars noch nicht mal den Informationsstand eines durchschnittlichen Nachrichtenkonsumenten haben.

     

    Ärmlich. Aber Hauptsache, das eigene Schubladendenken wird befriedigt.

  • S
    Schäuble

    "Kaum dass der offenbar in Berlin ausgeheckte Angriff auf die Kleinsparer"

     

    Nein, dieser Angriff wurde von den zyprischen Politikern selbst ausgeheckt.

  • PM
    Peter Meisel

    Deutschland, ein Geschenk an die Banken?

    1990 befreit die CDU (Kohl, Waigel, Schäuble) mit dem Finanzmarkt Förderungsgesetz die "Märkte" von der Transaktionssteuer und setzt eine Vervielfältigung der Geldmenge in Gang, mit der die reale Produktion nicht mehr mithalten kann.

    2008 läd die Kanzlerin ca. 30 Gäste zu einer privaten Feier für Deutsche Bank Chef Josef Ackermann ein und verschenkt die Staatsfinanzierung zum Geburtstag an die Deutsche Bank?

    Die Finanzkrise wird sichtbar, weil die Banker "Finanzprodukte" erfinden die keinen Wert haben aber Boni bringen. Diese Zauberlehrlinge sind nicht mehr zu bremsen und der Meister Schäuble zittert systemimmanent vor den "Märkten" weil diese Besen systemrelevant geworden sind. Walle, Walle, …

    Schäuble wollte gerade noch die Steuerhinterzieher durch eine Amnestie retten, da war Griechenland bereits Pleite und musste für zehnjährige Staatsanleihen 45% - 17% Zinsen zahlen. Deshalb musste es gerettet werden, denn solch lukrative Gewinne gibt es selten und Zeit ist Geld.

    Auch wir gehören zu diesen "Märkten", die dort ihr billiges Geld (für 1%) eingesetzt haben. Ein Gedicht - von Günter Grass, EUROPAS SCHANDE beschreibt treffend unseren Rettungsschirm. Auszug:

    "Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht, bist fern Du dem Land, das die Wiege Dir lieh.

    Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure, doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück

    Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land, dessen Geist Dich, Europa, erdachte."

    Da braucht es schon eine humanistische Bildung zum Verständnis unseres Regierungshandeln? Eine Steueoase in Europa war Ideal um den Griechen durch den Kauf ihrer Anleihen zu helfen? Zypern, der Geburtsort der Göttin der Nächstenliebe, Aphrodite, besorgte die Märkte und wir kassierten.

    Das lief gut, bis der Schuldenschnitt notwendig wurde, weil die Zinsen doch zu üppig waren um sie durch die Olivenernte bezahlen zu können. Jetzt ist Zypern auch Pleite und soll ebenfalls von Oliven leben?

    EUROPA eine Werte Gemeinschaft der System-Pleite? Dazu NZZ

    http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/am-schluss-zahlt-der-sparer-1.18048103?extcid=Newsletter_18032013_Top-News_am_Morgen

  • HB
    Helmut Becker

    Sie schreiben zutreffend, was in den letzten Tagen und Wochen gelaufen ist. Doch bleiben Sie eine Erklärung schuldig, welches "Exempel" nun statuiert werden soll - oder wird. Meinen Sie etwa, dass es um eine eurogruppen weite "Sondersteuer" auf Spareinlagen für die "Eurorettung" geht?

  • TL
    Tim Leuther

    Wie können Sie platt von einer Enteignung sprechen, wo das doch weniger als die Zinsen für 2 Jahre sind?

     

    Wie können Sie die schädliche Wirkung von Steuerparadiesen so verharmlosen?

     

    Die Botschaft der EU ist klar:

    Steuerparadiesen, auch innerhalb der EU werden mit harten Bandagen angefasst bei der Rettung. Folgerichtig haben maltesische und luxemburgische Politiker starken Tobak geredet.

    Aber man fragt auch nicht die Baktierien ob man Antibiotika nehmen soll. Und jeder zyprische Bankster der jetzt seinen Job verliert, ist eine gute Nachricht. Das waren die Leute die den reichen Griechen geholfen haben.

     

    Was sollen die Zyprioten machen? Vielleicht mal mit den Händen arbeiten, dann müssen die auch nicht mehr massig Leute aus Asien einkarren, die auf Zypern die Drecksjobs machen.

     

    Jeder weiß jetzt: Wenn du dein Geld in einem Steuerparadies hast, dann ist es schnell Futsch. Auch wenn am Parlament des Steuerparadieses die EU Fahne weht.