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Kommentar ZweitwohnungssteuerDie Zweitwohnungsfalle

Astrid Geisler
Kommentar von Astrid Geisler

Die Liste der MdBs, die keine Zweitwohnungssteuer gezahlt haben, wird immer länger. Daraus einen neuen Hoeneß-Skandal zu machen, hilft auch nicht.

Immer schön korrekt auf alles achten. Sonst kommt das Finanzamt. Bild: dpa

K lar, die Abgeordneten hätten Bescheid wissen können über die Sache mit der Zweitwohnungsteuer. Schließlich bekamen sie ja kurz nach ihrer Wahl in den Bundestag einen weißen DIN-A4-Umschlag von der Bundestagsverwaltung zugesteckt.

Ein „Starterpaket“ – darin ein Faltplan des Regierungsviertels, ein Handbuch in Taschenbuchformat mit allerlei nebensächlichen Informationen von der Bundestagsbibliothek bis zur Parlamentsärztin sowie eine Broschüre über die finanziellen Leistungen. Darin, heißt es aus der Bundestagsverwaltung, finde sich auch ein Hinweis auf die Zweitwohnungssteuer in Berlin – und zwar „im Kontext“ der sogenannten „Kostenpauschale“.

Die Frage ist nur: Was erwarten wir uns eigentlich vom idealen Volksvertreter? Dass sie oder er sich nach monatelangem Wahlkampf in der Berliner Zweitwohnung, die er womöglich gerade noch sucht, auf die Couch setzt, die es noch nicht gibt, und sich als erstes alle Ratgeber der Bundestagsverwaltung reinzieht?

Es gibt schwerwiegende Verfehlungen und es gibt ärgerliche Versäumnisse. In der Aufgeregtheit des Berliner Politikbetriebs verwischen schon mal die Grenzen zwischen beiden Kategorien. Gefragt sind moralische Perfektion und ein Privatleben frei von Verfehlungen. So wird nun auch die Bild-„Enthüllung“ über die wachsende Zahl von Abgeordneten, die keine Zweitwohnungssteuer an das Land Berlin entrichtet haben, zum bundespolitischen Skandal hochgespielt.

Hofreiter am Pranger

Sobald die Steuerhinterzieher öffentlich ihr Versäumnis bereuen, wie Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, legt manch ein Kommentator ihnen das noch als „Unverschämtheit“ und „Selbstgerechtigkeit“ aus. Schließlich hätten doch genau sie im Fall des Ex-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß noch lautstark mehr Steuerehrlichkeit gefordert. Tenor: Wer im Glashaus sitze, solle nicht mit Steinen werfen.

Natürlich fragt man sich, warum die betroffenen Abgeordneten von der grünen Atompolitikerin Sylvia Kotting-Uhl bis zum CDU-Hinterbänkler Tankred Schipanski keine gut informierten Assistenten oder Steuerberater beschäftigten, die sie auf die Zweitsteuerregel hinwiesen und zum Einwohnermeldeamt schickten. Gerade Anton Hofreiter hätte klar sein müssen, dass mit dem Aufstieg an die Spitze der Grünen-Fraktion auch das Interesse steigen dürfte, ihm private Fehltritte nachzuweisen.

Trotzdem lohnt ein Blick auf die Größenordnungen, die in der Zweitwohnungs-Debatte nun zuweilen verglichen werden: Hoeneß hinterzog mindestens 28,5 Millionen Euro Steuern – der nun an den Pranger geratene Hofreiter soll dem Fiskus über neun Jahre insgesamt 2.475 Euro vorenthalten haben, also rund 300 Euro im Jahr. Eine Summe, für die wohl kein gut verdienender Bundespolitiker vorsätzlich seinen Ruf riskieren würde.

Bundestagsabgeordnete werden für ihren stressigen Job anständig bezahlt, sie müssen sich deshalb zu Recht genau auf die Finger schauen lassen. Aber wer sie mit schiefen Vergleichen um jeden Preis zum korrupten Abzocker stempelt, tut der Demokratie auch keinen Gefallen.

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Astrid Geisler
Korrespondentin Parlamentsbüro
Jahrgang 1974, ist Parlamentskorrespondentin der taz. Zuvor hat sie als Reporterin und Inlandsredakteurin für die Zeitung gearbeitet. Sie war Stipendiatin des Netzwerks Recherche und erhielt für ihre Recherchen über Rechtsextremismus unter anderem den Theodor-Wolff-Preis. Schwerpunkte ihrer Berichterstattung sind die Piratenpartei, die CDU und das Thema Innere Sicherheit. Autorin der Sachbücher „Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland“ und „Piratenbraut. Meine Erlebnisse in der wildesten Partei Deutschlands“.
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12 Kommentare

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  • Desweiteren hat Hr. Hofreiter u.a. nicht nur "vergessen" seine Zweitwohnung zu versteuern, sondern er hat auch gegen das Berliner Melderecht verstoßen.

     

    Denn die melderechtlich vorgesehen Anmeldung gibt die Meldung ans Finanzamt raus die zur Erhebung führen.

  • Es ist doch mal wieder leicht zusammenzufassen:

     

    Gehört der Verschulder zu "den Meinen" waren seine Taten nicht so schlimm, gehört er jedoch zu "den Anderen", dann ist sein Rücktritt zu fordern.

     

    @FREIDENKER --> Dacore!

  • F
    Freidenker

    @ RWERNER Es ist überhaupt nicht erstaunlich, wie die Preisträgerin argumentiert. Dirk Niebel hat 0 Euro Steuern hinterzogen (i. W. Null Euro) mit seinem Teppich und wurde dafür von den sozial-medien-Netzwerken, der Presse u.a. wochenlang mit Jauche übergossen. Hier ist nun das beste Beispiel des verlogenen Gutmenschentums für jedermann ersichtlich. Es wird hier keine solche Hetzkampagne geben - weil man der gleichen Ideologie unterliegt.

  • Es ist schon erstaunlich wie A.Geisler argumentiert. Würde Sie auch so schreiben, wenn es um einen Bürger geht der jeden Sonntagabend sich von seiner Fam. verabschiedet und dann erst Freitagnacht darauf zurück kommt weil er wo anders arbeitet und das nicht mal bei so üppigen Geldern und Versorgungen danach wie diese Damen und Herren. Wo war Ihre Stimme als eine kleine Kassiererin wegen eines Bons für Leergut gekündigt wurde. Aber als Parlamentschreiberin will man es sich ja mit den Damen und Herren nicht verderben, weil man könnte den Job ja verlieren und spätestens dann wird klar das man ja auch garnicht die Nachversorgung hat.

    Werte Journalisten/-innen verschont uns doch mit dieser Mitleidstour, denn entweder ich bin ein ehrlicher Politiker und Moralapostel dann gelten gerade für mich selberdie selben strengen Regeln die ich von anderen erwarte oder ich bin Politiker und Leisetreter. Da ist mir eine Frau Margot Käßmann alle mal lieber diese hat einen Fehler begangen und die Konsequenzen gezogen. Aber für die Politikerkaste ist es ja einfacher auf andere zu zeigen um von seinen eigenen abzulenken. Dann lieber garnicht schreiben das ist ehrlicher als solche Parteinahme. Die Abgeordneten sind ihren Wä#hlern verpflichtet und nicht umgedreht

  • Das Grundgesetz erlaubt den Gemeinden, selbst Steuern zu erheben. Eine solche Steuer ist u.a. die relativ junge Zweitwohnungssteuer.

    "Der steuerliche Tatbestand ist das Innehaben einer weiteren Wohnung neben der Hauptwohnung."

    Es ist kaum nachvollziehbar, warum das Innehaben einer zweiten Wohnung zu einer Steuer führen muss. Anders als etwa das Halten eines Hundes, führt doch das Innehaben einer Zweitwohnung nicht zu einer Belastung für die Gemeinde, mal abgesehen von den Kosten, die für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer entstehen. Gut, die Gemeinden hätten gern mehr Geld, soviel ist klar. Aber warum aktiviert man dann nicht die Vermögensteuer, die ja nie entfallen ist, sondern deren Erhebung nur ausgesetzt wurde, weil man die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht konsequent umsetzen wollte. Die Landesfinanzämter könnten diese Aufgabe wieder für die Gemeinden übernehmen und die Steuergesetzgebung könnte endlich von derart krampfhaft konstruierten örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern befreit werden.

    Dabei hätte man drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen:

    1. Unterm Strich höhere Steuereinnahmen der Gemeinden.

    2. Entlastung der Kommunen von bürokratischem Aufwand

    3. Gleichmäßigere und gerechtere Verteilung der Steuereinnahmen auf die Gemeinden untereinander.

    Die Zweitwohnungssteuer ist insgesamt überflüssig. Offenbar sehen das die meisten Abgeordneten genau so, nur handeln sie nicht folgerichtig. Bleibt zu hoffen, dass man sich dieses Themas jetzt auch mal politisch sinnvoll annimmt.

    • @Rainer B.:

      Wieso fallen für die Gemeinde keine Kosten an?

      Wenn jemand zusätzlich in der Stadt wohnt, für den die Gemeinde keinen Anteil an der Einkommenssteuer erhält, nutzt dieser dennoch die Infrastruktur der Stadt. Verkehrsmittel, Straßen, Polizei etc.

      Die Kosten müssen reinkommen.

       

      Ich bin aber auch gegen die Zweitwohnungssteuer, sondern wäre eher dafür, dass die Kommunen Steuern wie z.B. die Einkommenssteuern selbst erheben dürfen und nur die Aufgaben an höhergeordnete Ebenen delegieren (gegen den entsprechenden Zahlungen an diese Ebenen), die sie nicht selbst erledigen können.

      • @Age Krüger:

        Wenn jemand zusätzlich in der Stadt wohnt, bringt er auch zusätzlich Geld in die Stadt. Zum einen durch Konsum und zum anderen auch durch höhere Zuweisungen an die Gemeinde aus dem Finanzausgleich. Die Wohnung selbst bringt der Gemeinde bereits Grundsteuer und diverse Gebühren (Müll, Wasser, Abwasser, Regenwasser, Anschlussgebühren, Anliegergebühren etc.) für die Infrastruktur. Darauf kommt vielfach noch Umsatzsteuer. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, sowie der Grundsteuer fallen zu 100% an die Gemeinde Von 94,95% des gesamten Umsatzsteueraufkommens fließen 2,2% vorab an die Gemeinden. Der Rest wird etwa hälftig auf Bund und Länder aufgeteilt. Wegen des Wegfalls der Gewerbekapitalsteuer erhalten die Gemeinden zusätzlich auch 12% der gesamten Kapitalertragssteuer. Die Gemeinden erhalten darüberhinaus auch einen Anteil von 15% am Gesamtaufkommen der Einkommensteuer. Eine Erhebung der Einkommensteuer durch die Gemeinden macht wenig Sinn, ist kaum praktikabel, unverhältnismäßig aufwendig und verfassungsrechtlich sehr problematisch.

  • Ich kann mich dem Kommentar von Dubiosos nur anschließen. Ich wusste schon als junger naiver Stundent, dass ich meine Wohnung anzumelden habe. Später, nach meinem Abschluß habe ich es genauso selbstverständlich mit meiner Zweitwohnung gemacht. Dass nun ausgerechnet unsere ehrenwerten Volksvertreter dies nicht gewusst haben wollen ist wirklich nur zum Kopfschütteln. Um so argumentieren zu können muss man wohl als Politiker geboren sein.

    Ansonsten, Dummheit äh Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe.

  • Also ich empfinde dies nicht als finanzpolitischen Skandal und ich glaube auch nicht, dass die Politiker tatsächlich Steuern hinterziehen wollten oder mit Absicht handelten. Fehler passieren und da jetzt nachgezahlt wird finde ich das soweit in Ordnung.

     

    Was mich tatsächlich bestürzt, ist die ungeheure Dummheit, die sich hier offenbart. Von jedem normalen Bürger wird erwartet, dass er sich an die geltenden Gesetze hält und diese kennt. Mir hat keiner eine Broschüre gegeben und ich habe keine Verwaltung im Rücken, und trotzdem habe ich es immer geschafft, meine Wohnungen anzumelden. Und ich glaube ich bin damit kein Wunderkind - Jeder weiß doch, dass eine Wohnung anzumelden ist.

     

    Die Dummheit, dass so viele Politiker scheinbar nicht die einfachsten Gesetze kennen, macht mich sprachlos. Wie kann man solchen Leuten viel kompliziertere Regeln anvertrauen? Neben der allgemeinen Dummheit dabei ist es ja noch besonders schwerwiegend, weil jedem Abgeordneten doch besonders klar sein muss, dass wenn so etwas auffliegt es einen Skandal gibt. Da würde ich doch extra gründlich sein und ggf. mir halt einen Steuerberater zulegen, wenn ich keine Zeit dafür habe.

     

    Nein, dies ist kein moralischer Skandal wie Hoeneß, sondern ein bestürzender Skandal, der offenbart, wie ahnungs- und kompetenzlos so mancher Volksvertreter ist.

  • "..Dass sie oder er sich nach monatelangem Wahlkampf in der Berliner Zweitwohnung, die er womöglich gerade noch sucht, auf die Couch setzt, die es noch nicht gibt, und sich als erstes alle Ratgeber der Bundestagsverwaltung reinzieht? .."

     

    Ja, genau das erwarte ich. Oder dass AbgeordneteR das Dokument seiner Steuerberatung gibt. Abgeordnete müssen Akten wälzen. Das ist elementar.

  • Nein, ein Skandal von der Grössenordnung einesUli H. ist es nicht.

    Wer aber bei der kleinsten Verfehlung anderer moralintriefend mit dem Finger zeigt, wird an seinem eigenen Anspruch gemessen.

    Wenn ich bei Rot über die Ampel fahre und erwischt werde, kann ich auch nicht sagen: "Was erwartet ihr von mir? Dass ich alle Regeln kenne? Und mich auch noch daran halte? Ich hatte viel zu tun und habe es eilig."

  • Wenn wir diesen Zweitwohnungsquatsch mal mit der medialen Vorgehensweise gegen Christian Wulff vergleichen, insbesondere auch bei der taz, wo viel die Rede war von "auch der Anschein muss vermieden werden" und "man muss sich an seinen eigenen Maßstäben messen lassen" etc., kommt es schon seltsam daher, mit welcher Lockerheit die Dinge nun hier, wo es primär um die eigenen - nämlich grünen - Leute geht, als lediglich "ärgerliche Versäumnisse" eingestuft werden.