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Kommentar Zwangstest für ProstituierteSex, Lügen und Idiotentests

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Regierung möchte Idiotentests für Prostituierte einführen. Die Debatte darüber zeigt, dass Sexarbeit eben doch kein normaler Job ist.

Eine Prostituierte in einem „Lovemobil“ wartet auf Kundschaft. Foto: dpa

W ann haben Sie den Führerschein gemacht? Hat es Sie geflasht, als Sie gegen das Tempolimit verstoßen haben? Wie haben Sie sich gefühlt, als wir Sie besoffen am Steuer erwischt haben? Beabsichtigen Sie, in Zukunft ein besserer Verkehrsteilnehmer zu werden?

Solche und ähnliche Fragen müssen sich Autofahrer gefallen lassen, die ihren Führerschein losgeworden sind und ihn wiederhaben wollen. Dazu müssen sie zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. Man nennt sie auch Idiotentest.

Vielleicht müssen demnächst auch Prostituierte zum Idiotentest. Zumindest formulieren SexarbeiterInnen es so zugespitzt. Ein Idiotentest für SexarbeiterInnen drohe, wenn das Prostituiertenschutzgesetz so in Kraft trete, wie es derzeit geplant ist: Prostituierte müssten dann regelmäßig zum Gesundheitscheck. Wenn sie das nicht „einsehen“, kann ihnen der „Hurenpass“ verweigert werden.

Damit würden die Betroffenen grundsätzlich für nicht zurechnungsfähig erklärt. Ja, so kann man das sehen. Warum müssen sich Prostituierte Fragen gefallen lassen, die anderen nicht mal im Traum gestellt werden? Außerdem: Ihr Körper ist ihr Kapital, damit werden sie schon sorgsam umgehen.

Man kann es aber auch anders sehen: Was ist gegen ein Beratungsangebot einzuwenden? Manche Aussteigewillige beispielsweise wissen nicht, wohin sie sich wenden können.

Zuvörderst aber offenbart diese Debatte erneut, dass Prostitution eben doch kein Job ist wie jeder andere auch. Solange das so ist, wird das Bedürfnis, das Rotlichtmilieu gesondert zu regeln, groß sein.

Und wie sollten die Prostituierten nun damit umgehen? Autofahrern, die zum Idiotentest müssen, raten diverse Internetseiten, sich gut darauf vorzubereiten: Auf Gewissens- und Verhaltensfragen immer mit Einsicht reagieren. „Du willst deinen Führerschein zurück? Sei clever, sei clean.“

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Es gibt bereits jetzt Beratungsangebote die freiwillig sind und gerne wahrgenommen werden. Der Sachbearbeiter unseres hiesigen Kreisgesundheitsamtes macht außerdem mit seinen Mitarbgeiterinnen aufsuchende Arbeit z.B. auf dem Straßenstrich in der benachbarten Großstadt. Er genießt überregional ein großes Ansehen und viel Vertrauen in der Szene - eben gerade WEIL dieses Beratungsangebot freiwillig ist. BeratungsZWANG würde zu denselben Zuständen führen, die wir in Deutschland bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten, als es noch den "Bockschein" gab. Ältere Sexarbeiterinnen erinnern sich noch mit Grausen an Massenabfertigung, rüden Umgangston und das mehr oder weniger öffentliche Vorgehen in den betreffenden Behörden (keine abgeschirmten Wartezonen etc.) Im übrigen mögen man sich doch bitte nicht einbilden, dass ZWANGSprostituierte auf diese Weise besser erfasst werden können. DIE bleiben entweder nach wie vor hinter Schloss und Riegel - oder der jeweilige Zuhälter karrt sie zum Termin und nimmt sie nach durchgestandener Prozedur gleich wieder mit. Und was nun die Meldepflicht betrifft: es gibt etliche Sexarbeiterinnen die dieses Metier nur im Nebenberuf betreiben - zum Beispiel Studentinnen, die sich ihr Studium über eine Escortagentur finanzieren. Eine Meldepflicht ist gleichbedeutend mit einem Outing. Und angesichts der hier in Deutschland immer noch virulenten Doppelmoral kann man sich vorstellen, was das für Folgen hätte: eine Medizinstudentin oder eine Jurastudentin die als Escort arbeitet, kann sie ihre Promotion von der Backe putzen.

    • @Almuth Wessel:

      Die schöne neue Prostitutionswelt... Medizinstudentin als Escort. Ihr sagt man vorher nicht, das sie da nicht unbeschadet wieder rauskommt. Oder hat sie sowieso schon Erfahrungen evtl aus der Kindheit, die sie das fortschreiben läßt, was sie erfahren hat. Prostitution wird ja in den Medien inzwischen als soo normal verkauft, das sich die, die es hintersichgelassen haben garnicht trauen, zu sagen, was von ihnen übrig geblieben ist. Und die die es noch vor sich haben glauben macht es ist ein Job wie jeder andere. Dienstleister und Ware in einem - allerdings.

  • "Man kann es aber auch anders sehen: Was ist gegen ein Beratungsangebot einzuwenden?"

     

    Ein Zwang ist kein Angebot.

  • Gewiss ist der eigene Körper für jeden „sein Kapital“, man merkt es oft, wenn man die zahnärztliche Vorsorge zu stark hat schleifen lassen, aber auch, wenn man sein Sitzfleisch täglich hinhalten muss.

     

    bei den Arbeiten, wo das Geld täglich ehrlich erworben werden muss, wie bei Maurern, Zimmerleuten, Dachdeckern oder in der Pflege am Krankenbett, wird man dies auch oft zu spüren bekommen.

     

    In der Arbeitsmedizin sollten also verstärkt Fragen gestellt werden.

  • Die Internetseite kennt acht verschiedene Übersetzungen für das englischsprachige Adjektiv "clever". Das kleine Wörtchen "brav" ist nicht dabei. Mag sein, das ist ein Fehler der Programmierer.