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Kommentar Zumwinkel-ProzessKorrekter Deal

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Fall Zumwinkel ist kein Grund, ein Verbot von Prozess-Absprachen zu fordern. Nun kann der Prozess nach zwei Tagen abgeschlossen werden. Ein längeres Verfahren brächte keinen Vorteil.

D as passt doch gut: Gerade bringt die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg, das Absprachen im Strafprozess regeln soll. Und am Donnerstag beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel, der am Montag mit einem "ausgedealten" Urteil enden wird. Ganz deutlich wird dabei, dass es Deals schon heute gibt und sie keine Folge des geplanten Gesetzes sind.

Bild: taz

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Der Fall Zumwinkel ist kein Grund, ein Verbot solcher Absprachen zu fordern. Weil keine große Beweisaufnahme erforderlich ist, kann der Zumwinkel-Prozess so schon nach zwei Verhandlungstagen abgeschlossen werden. Stünde Zumwinkel länger vor Gericht, wäre der Gerechtigkeit auch nicht mehr gedient. Dann würde all das durch Zeugen bewiesen, was der Angeklagte nun gleich zu Beginn gesteht. Wo ist der Unterschied?

Dass Zumwinkel vermutlich mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, ist angemessen. Er ist nicht vorbestraft, hat eine gute Sozialprognose - und die hinterzogenen Steuern der letzten zehn Jahre hat er nachbezahlt. Außerdem hat ein Geständnis schon immer zu Strafmilderungen geführt. Ohne "Deal" hätte Zumwinkel deshalb wohl auch keine höhere Strafe gedroht.

Wenn ein solcher Deal korrekt abläuft - und dafür will die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf sorgen -, dann wird dabei auch nichts Entscheidendes unter den Tisch gekehrt. Dem Kern der Vorwürfe müssen die Ermittler auf jeden Fall nachgehen. Darauf kann die Staatsanwaltschaft auch kaum verzichten. Denn wenn sie nichts in der Hand hat, wird der Angeklagte in der Regel auch kein Geständnis ablegen.

Dass Zumwinkel gute Anwälte an seiner Seite hat, erhöht sicher die Bereitschaft des Gerichts zu einem Deal, denn gute Anwälte können ein Verfahren sonst kunstvoll in die Länge ziehen. Aber dass reiche Angeklagte sich teurere (nicht immer bessere!) Anwälte leisten können, ist kein spezielles Problem des Deals. Im Gegenteil: Je länger der Strafprozess dauert, desto mehr kosten die Star-Anwälte. Ein Deal dagegen macht den Prozess auch für den Angeklagten billiger.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

5 Kommentare

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  • M
    Michael

    Die taz im üblen Mainstream! Und warum der Kommentator unterschlägt, dass Zumwinkel auch an anderen Stellen strafrechtlich Bedenkliches (u.a. Bespitzelung von Telekom-Aufsichtsräten) offenbar aktiv betrieben hat, bleibt mir ein Rätsel! Und auch die vorweg stattgefundene skandalöse Beseitigung der ermittelnden Staatsanwältin Lichtinghagen in bester Nazi-Manier interessiert den Kommentator nicht. Dies gilt analog für ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 2.12.08, in dem für Steuerhinterzieher, die dem Volk mehr als eine Million klauen, ziemlich zwingend Haftstrafen vorgegeben werden. Und warum denn immer zwei Jahre Haft auf Bewährung, wo doch schon einige Monate Haft tatsächlich abgesessen in diesen rechtsbrecherischen "Eliten", die unsere ganze Republik und deren freiheitlich-demokratische Verfassung gefährden, wahre Wunder wirken würden! Geldstrafen interessieren doch nicht in diese Kreisen! Was juckt es Zumwinkel, wenn er jetzt noch eine Million oder zwei drauflegen muss? Er hat über 12 Millionen alleine in Lichtenstein liegen, ein Schloss am Gardasee, eine Villa in Köln, usw. und erhält von der Post als Pension über eine Million Euro im Jahr! Dafür werden in den USA gerade aufgrund der tollen Zumwinkel-Leistungen zehntausende DHL-Mitarbeiter arbeitslos und schreibt die Post Milliarden Verluste! (Und ich laufe mir die Haken wund, um noch ein Postfiliale zu finden!)

    Der Kommentar ist nur noch ärgerlich und ein Armutszeugnis für die taz! Mensch Leute, muss das sein?

  • MS
    Malte S.

    Hallo,

    zum einen ja. Deals haben gewisse Vorteile. Insbesondere was die Kosten für Allgemeinheit bei der gleichzeitigen Betrachtung des Nutzens, also des Erkenntnisgewinns angeht. Wie Sie schon schreiben, warum für etwas Geld rausschmeißen, was eh schon klar ist.

    ABER

    Das Problem ist, das gerade in letzterer Zeit vermehrt Deals abgeschlossen wurden, die das Gefühl erwecken, milde Strafen seien käuflich. Auch wenn das im Fall Zumwinkel wahrscheinlich nicht der Fall ist, so erinnere ich mich noch an die Diskussion im Fall Ackermann und anderer.

    Denn wo ein öffentliches Interesse an der Aufklärung eines Sachverhaltes gibt, dort kann ein Verfahren, welches noch neue Erkenntnisse liefern kann, nicht per Deal abgeschlossen werden. Auch wenn diese Lösung für die Staatskasse billiger wäre, so kann die Wahrheit nicht mit Geld aufgewogen werden. Wie gesagt, im Fall Zumwinkel ok, sehe ich ein. Er zeigt Reue, der Mann wird nur noch Golf spielen und in der Welt reisen und vielleicht muss man ihn in Talkshows ertragen, wird aber keine große Rolle in der Wirtschaft mehr spielen. Und damit ist die Gefahr der Wiederholung sehr gering. Ackermann hingegen ist aufgrund der Zahlung, die marginal unter der Höchststrafe liegt (3,2 zu 3,6 Mio Euro), nicht vorbestraft, hat aber NIE Reue gezeigt (Victory). Und damit eigentlich auch eine Grundlage eines Deals (auch wenn er so nicht genannt wird) verletzt.

  • AB
    Angela Brederecke

    Das neue Gesetz eröffnet bestimmt mehr Möglichkeiten für staatliche Willkür.

    Was den Bürger Zumwinkel betrifft, so sollte der gemäß Artikel 14 Absatz 2 GG und Artikel 15 GG expropriiert werden und sein Vermögen für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Dafür könnte das Strafverfahren gegen ihn dann ruhig eingestellt werden. Er ist ja nicht vorbestraft und es besteht dann auch keine Wiederholungsgefahr mehr.

  • EL
    Emile LeFant

    Empörend - dieser Kommentar von Herrn Rath. Ofensichtlic hat er von der Diskussion der letzten 3 Jahrzehnte, seit ein Stuttgarter Ministerialdirigent den Deal erfunden hat nichts mitbekommen, begreift nicht, was für ein Unterschied die im 19 Jahrhundert erkämpfte Strafprozessordnung gegenüber dem bis dahin geltenden Inquisitionsprozess für die Freiheit von staatlicher Willkür bedeutet. Beispiel: gestern Abend bei Maischberger berichtete die Bäckersfrau, wie sie anhand unbegründeter Anschuldigungen des Finanzamts zum Deal gezwungen wurde: mit der Androhung von U-Haft für ihren Mann. Hinterher stellt sich heraus, die Anschuldigung war grundlos - aber Geld weg, Bäckerei pleite, Altersvorsorge weg. Und das Finanzamt pocht auf die "abschliessende Vereinbarung".

    Dieser Deal lief auch "korrekt", und die Ermittler waren dem "Kern der Vorwürfe" nachgegangen - und wenn die Staatsanwaltschaft sonst nichts ausser einem Haftbefehl in der Hand hat - welcher Angeklagte wird da "in der Regel kein Geständnis ablegen"? Wer sollte das recht sprechen: der Staatsanwalt oder der unabhängige Richter? DAS ist die Frage, um die es dabei geht. Staatswillkür, Instrumentalisierung des Rechts oder Bürgerrechte!

    Guter Herr Rath, Sie geben Ihren Lesern mit Ihrem ahnungslosen Kommentar wahrlich keinen guten Rat.

    Falls es Sie interessiert, wie KAFKAESK diese Deals in der Realität ablaufen, mit welchen Erpressungsmanövern dabei gearbeitet wird, wie wenig man dabei noch von "Recht sprechen" sprechen kann, und wenn Ihnen die Fachliteratur zu diesem Thema zu trocken und zu anstrengend ist: verschaffen Sie sich einen Eindruck:

    Emile LeFant: Kafka Wiedergänger, Berliner Wissenschaftsverlag (ISBN 3-8305-0860-3), Nachwort Prof Schünemann, LMU München: Mindestens 98% der Bevölkerung befinden sich in einem reinen Kinderglauben über die Praxis der neueren deutschen Strafjustiz. Der Kommentator der TAZ gehört zu diesen 98%.

  • JK
    Juergen K

    1 500 Stunden in einer Tafel fänd ich auch nicht übel, oder in einem Altenheim.