Kommentar Zukunft des Frauenfußballs: Macht euer eigenes Ding

Mehr Geld in den Frauenfußball pumpen? Das ist Franchise-Feminismus. Zur WM sollten die Frauen über progressiveren Fußball nachdenken.

Eine Frauenmanschaft steht vor dem Spiel zusammen und umarmt sich

Fußball braucht mehr Solidarität, nicht mehr Geld Foto: actionplus

Heute beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft, und sie fällt in eine entscheidende Phase: eine, in der Weichen gestellt werden, wie es mit dem Frauenfußball dauerhaft weitergeht. Nischensport oder großer Player, finanzierbar, feministisch, fair? Politische Proteste der Frauen mehren sich, die jüngsten kommen aus Australien: Die australischen Nationalspielerinnen fordern die Fifa auf, das Preisgeld der WM von 30 Millionen US-Dollar auf 57 Millionen zu erhöhen.

Die Argumentation ist im Sinne der Gleichberechtigung verlockend, aktuell kassieren die Frauen nur 7 Prozent des Männer-WM-Preisgeldes. Aber die Fixierung auf immer mehr Geld à la Sandkasten („Ich will das, was der hat“) ist falsch. Das ist Franchise-Feminismus. Der Männerfußball wird überschwemmt mit Geldern und taumelt in einer Spirale des Wettbietens: Die Kluft zwischen den Klubs und zwischen den Ländern weitet sich zur Schlucht, und schon in der fünften Liga braucht es einen Millionenetat – obwohl der Fußballbetrieb selbst viel günstiger ist, das meiste wird verschleudert für Spielergehälter und Transfers. Er bleibt ein warnendes Beispiel des unregulierten Super-Kapitalismus. Der Frauenfußball macht einen Fehler, wenn er ihn blind imitiert.

Schon jetzt ist auch bei den Frauen die Elite zunehmend enteilt, auf Klubebene übernehmen die starken Player des Männerfußballs, es bilden sich ähnliche Zentren. Das ist nicht erstaunlich, beide existieren in derselben Welt, im selben Wirtschaftssystem, und es gibt zunehmende Synergien. Der Frauenfußball muss aber auch auf Abgrenzung setzen. Solidarischer, basisnäher, leistungsgerechter. Mehr Geld hilft nur dann, wenn es klüger eingesetzt wird; wenn etwa aus einem Frauenfußballfonds Unterstützung an Vereine aus wirtschaftsschwachen Regionen fließt oder an Klubs, die sich besonders in der Nachwuchsförderung engagieren.

Wenn Spielerinnen zukünftig nicht für Millionensummen den Verein wechseln – vielleicht reguliert durch Gehalts- oder Transferobergrenzen. Wenn die Protagonistinnen wie in den USA bei der Liga angestellt wären statt bei Klubs. Das erhöht das Interesse an einer starken Liga und setzt einen Anreiz für spannendere Meisterschaftsrennen. Wenn sie eine abgesicherte Elternzeit bekämen. Der Frauenfußball braucht den Mut, neue Modelle zu prüfen, mehr Nachhaltigkeit zu fördern und finanzielle Teilhabe der Amateurinnen zu ­sichern.

Man hat sich in den vergangenen Jahren damit abgefunden, von der Gnade der Männerorganisationen zu leben. So ist der Frauenfußball aber nicht mehr als eine mickrige Kopie, progressiv allein durch die Tatsache, dass hier Frauen spielen. Das ist zu wenig. Es wird Zeit für ambitioniertere Ideen. Dafür hängt der Frauenfußball aber noch zu sehr in piefigem Klein-Klein fest. Dabei könnten progressive Maßnahmen mehr positive PR bringen als eine Fifa-WM. Und der Fußball braucht sie. In einer hübschen Traumwelt würde sich der St. Pauli dann wünschen, dass der Männerfußball endlich mehr werden müsse wie der der Frauen. Dream crazy!

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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