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Kommentar ZinsmanipulationDas reinste Teufelswerk

Hermannus Pfeiffer
Kommentar von Hermannus Pfeiffer

Aufsichtsämter und Regierungen haben zugelassen, dass Banken Zinssätze alleine festsetzen. Über Manipulationen dürfen sie sich nicht wundern.

Schlechtwetterfront: Ob die Banken ihre Rettungsschirme dabeihaben? Bild: dpa

D as ist längst kein bedauerlicher Einzelfall mehr. Alle wichtigen Vergleichswerte, an denen sich Banken seit den 1980er Jahren und der Liberalisierung der Finanzmärkte mit ihren Geschäften orientieren, scheinen manipuliert worden zu sein: Über die Interbankenzinssätze Libor und Euribor wurden die Preise für Kredite unter Banken und mit Kunden direkt und indirekt gesteuert; der jahrelange Gold- und Rohstoffrausch wurde wohl über verfälschte Preisindizes befeuert, und nun stehen auch noch die Währungskurse am Pranger.

Dabei stammen die Akteure, gegen die ermittelt wird, aus demselben kleinen Kreis: JP Morgan Chase, Royal Bank of Scotland oder Deutsche Bank sowie ein Dutzend anderer Großbanken. Sie haben die Marktmacht, um zu manipulieren, und kassieren dafür satte Extraprofite. Leidtragende sind Abertausende kleine Banken und Sparkassen, Millionen von Anlegern und Rentnern und zumindest im Fall von Devisenspekulationen einige Schwellenländer.

Möglicherweise reicht der Kreis der Opfer noch weit darüber hinaus: So wurde das neue Stahlwerk des Konzerns Thyssen-Krupp in Brasilien auch deshalb zum Milliardenflop, weil der brasilianische Real gegenüber dem US-Dollar dramatisch aufgewertet und Thyssens Stahl dadurch zu teuer wurde.

Die Rückstellungen der „systemrelevanten“ Geldgiganten für ihre Prozessrisiken erreichen mittlerweile zweistellige Milliardensummen. Das darf in vielen Fällen als Schuldeingeständnis gewertet werden. Mitverantwortung trifft aber auch Regierungen und Aufsichtsämter: Wer jahrzehntelang wegschaut, wenn eine Handvoll Großbanken alleine den Goldpreis festsetzt, sollte sich über Manipulationen nicht wundern. Die Lehre aus dem neuen Bankenskandal: „Den Markt“ quasi mit Gottvertrauen schalten und walten zu lassen ist Teufelswerk.

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Hermannus Pfeiffer
Autor
Soziologe und promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Spezialgebiete: Banken/Versicherungen/Finanzmärkte und maritime Industrie. Arbeitet seit 1995 als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt „Gewinn ist nicht genug! 21 Mythen über die Wirtschaft, die uns teuer zu stehen kommen“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2021.
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9 Kommentare

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  • M
    Michael

    Nachtrag:

    Laut Focus Money beträgt der Schaden durch die Zinssatzmanipulation 14 Mrd. Euro. Aufgrund der Wirtschaftsnähe von Focus Money dürfte es sich eher um eine niedrige Annahme handeln...

    Gleichzeitig soll lt. Focus das Haftungsrisiko für die Banken 6,2 Milliarden Dollar betragen.

    Die "Megastrafe" von 1,7 Milliarden ist also nur ein Neuntel des mindestens angerichteten Schadens (Schaden = von den Banken mitgenommene Sore) - und dazu auch noch weit unter der Haftungsschwelle.

    Preisfrage: Welcher Bankräuber kommt damit davon, dass er nach der Festnahme einfach ein Neuntel des Raubes zurückgibt?

  • J
    joeyyy

    ...noch eins: Wenn man als Ökonom mal in die Gewinn- und Verlustrechnungen der Banken schaut und nach der Gegenfinanzierung für die Strafen sucht, dann wird man entweder auf der Umsatzseite über höhere Absatz- oder Preis-Zahlen fündig oder auf der Kostenseite über Einsparungen beim Personal (Köpfe oder Gehälter - natürlich nicht bei den Managern).

     

    Also: Wer zahlt die Strafen wirklich? Natürlich NICHT die Ober-Straftäter sondern entweder die Kunden oder die Angestellten oder beide.

     

    Das widerum heißt: Wir kleinen Leute finanzieren nicht nur die Managergehälter in Frankfurt sondern auch noch die Bürokratie in Brüssel.

     

    Das widerum heißt: Solange es keine Revolte von unten gibt, könnte man meinen, das Spielchen zwischen Politik und Banken geht munter weiter. Ist ja zumindest für die Spieler ein Win-Win-Spiel, bei dem keiner verliert. Nur wir. Die Zuschauer.

  • K
    Kaboom

    Schulteruck ...

    Der deutsche Michel will das. Und er will das genau so. Wollte er es anders. hätte er anders gewählt

  • M
    Michael

    Überall wird so getan, als seien die 1,7 Milliarden Euro eine Riesenstrafe.

    Ich würde ja gerne mal erfahren, wie hoch denn überhaupt der angerichtete Schaden ist, und wie viel Zores die beteiligten kriminellen Banken eingesackt haben.

    Wenn man das noch gar nicht weiß, ist es zu früh für eine "Strafe".

    Die manipulierten Zinssätze betreffen Deals um Multi-Billionen-Euro-Bereich: 1,7 Milliarden Strafe wären z.B. nur 0,017 Prozent von 100 Billionen.

    Wenn die "Strafe" aber geringer ausfällt als der Profit des Täters, kann von Strafe gar keine Rede sein - dann heben wir es eher mit einer Einladung zur Wiederholung zu tun!

    Und von einer Entschädigung der Geschädigten ist sowieso keine Rede.

    Unsere Politik handelt so, als wäre sie in den Händen der Finanzmafia.

  • J
    joeyyy

    Banken sind Unternehmen und somit "juristische Personen". Personen sind Straftäter, wenn sie schuldhaft eine rechtswidrige Handlung begehen, die mit einer Strafe belegt ist. Somit ist beispielsweise die Deutsche Bank für mich eine Straftäterin. Was macht man gemeinhin auf gesellschaftlicher Ebene mit Straftätern, die keine Reue und auch keine Verhaltensänderungen zeigen? Man ächtet sie. Genau das tue ich mit allen populären Geschäftsbanken. Wer sein Geld nicht irgendeinem Straftäter anvertrauen will, muss im Internet nur ein wenig suchen. Wer sein Geld nachhaltig anlegen möchte und mitbestimmen möchte, in welche Projekte sein Geld investiert wird, kann das. Ja, das geht auch in Deutschland! Ethikbank und GLS-Bank sind zwei Beispiele. Auch hier können wir Verbraucher mit unserem Konsumverhalten etwas bewegen. Weg von den Verbrechern, hin zu Vordenkern. Denn eins muss uns klar sein: Wenn ein Herr Ackermann als Chef eines straftätigen Unternehmens seinen Geburtstag im Kanzleramt auf Einladung der Kanzlerin feiern darf und Frau Merkel von den Straftaten wusste, dann muss die Politik diese Straftaten dulden. Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die Autobranche unsere Parteien schmiert, sondern die Banken das - vielleicht subtiler - auch tun. Ich bin fast soweit, dieses Geflecht aus finanziellen, politischen und juristischen Beziehungen zwischen Banken und Politik als "mafiös" zu bezeichnen.

  • Huch, die Banken haben betrogen! Nein, wer hätte das gedacht!

    Wenn die Ackermänner dieser Welt koksabhängige Investment-Zocker mit Millionen locken, um Milliarden zu verspielen, die sie nicht haben und für die es keinen realen Gegenwert gibt, was werden dann die Abhängigen machen, wenn der "Erfolg" mit legalen Mitteln nicht erreicht wird? Leider verschiebt der aktuelle "Koalitionsvertrag" das Thema gerade mal wieder um vier Jahre....

  • B
    barracuda

    Wenn die Banken nicht ständig

    die Zinssätze manipuliert hätten und China nur die gleichen Devisenregulierungsinstrumente, wie die anderen westlichen Zentralbanken gehabt hätte,

    wäre eine Chinaisierung der Globalisierung nicht möglich gewesen, weil das Schuldenlimit des Westens schon Jahrzehnte früher erreicht worden wäre.

    Eine EU-Kartellbildung wäre nie notwendig gewesen, weil die Zentralbanken im Mittel zu mehr Haushaltsdisziplin und Leistungseffizienzkontrolle von Bildung und Fürsorge aufgerufen wären. Der Globalisierungswahn und die Verleitung zur Verschlechterung der Performance der EU-Staaten hat Billionenwerte als Anlagekapital aus Europa heraus

    verlagert

    nach Fernost und in andere Schwellenländer sowie Steueroasen. Ein extrem erklecklicher Anteil davon ist nun in Händen weniger Privatvermögenden(m/w). Und es geht so weiter.

  • Z
    Z3ph4r

    Schade, bis zum letzten Satz ist der Artikel wirklich gelungen. Aber dann wird dieser gute Kommentar vernichtet und die Kompetenzvermutung in Frage gestellt. Was hier passiert ist, ist doch ein klares Zeichen von zu wenig und nicht zuviel Markt. Ein Markt der manipuliert werden kann, funktioniert eben nicht, weil freie Preisbildung aufgrund mangelnden Wettbewerbs unterlaufen wird. Der Regulator muss also "mehr Markt" sicher stellen, die Teilnahme vieler Wettbewerber ermöglichen und marktschädigendes Verhalten wie Manipulation und Kartelle verhindern. Genau das lässt sich eben aus den Argumenten des Artikels schließen. Die Alternative nicht ein regulierter Markt, sondern eine politisch gelenkte Wirtschaft, die umso mehr für Partikularinteressen missbraucht werden kann. Ein Blick auf die Landesbanken und eine Vielzahl öffentlicher Projekte spricht hier Bände.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Stichwort: Deregulierung. Sonst noch Fragen?