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Kommentar WesterwelleWas kommt nach Westerwelle?

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Man kann Westerwelle vieles vorwerfen, doch sein Rücktritt birgt Gefahren. Ein FDP-Chef Lindner stünde für Wirtschaftsliberalismus – nur mit menschlichem Antlitz.

F ür Guido Westerwelles zahlreiche Kritiker mag die Dauerkrise der FDP wie ein Fest erscheinen. Die Partei der selbst erklärten Wirtschaftselite wirkt personell, konzeptionell und in Wahlumfragen am Ende. Mit jedem Tag wächst der Druck auf den Parteivorsitzenden und Außenminister, endlich zurückzutreten. Doch keiner weiß, wer oder was nach Westerwelle kommen soll. Und für seine Anhänger wie seine Gegner gilt: Wer sagt, dass es ohne ihn nicht noch schlimmer werden kann?

Man kann Westerwelle vieles vorwerfen. Doch der bisherige starke Mann der Freidemokraten bot durchaus einige Vorteile: Seit dem Bundestagswahlkampf 2002 ließ er weitgehend die Finger von rechtspopulistischem Sprengstoff: Gegen Möllemanns - von Westerwelle mitgetragenen - Versuch, antisemitische Ressentiments salonfähig zu machen, klang das Gerede von der "spätrömischen Dekadenz" harmlos. Mit der Fokussierung auf Steuersenkungen hat er seine Partei an die Regierung gebracht.

Dumm nur, dass sie ihr Versprechen jetzt nicht einhalten kann. Westerwelles Rücktritt aber würde die FDP in ein programmatisches Loch stürzen, und die richtungslose Partei könnte ihr Heil in Möllemannschen Traditionen suchen. Populistischen Forderungen wie der von Silvana Koch-Mehrin, der FDP-Vorzeigefrau in Brüssel, nach einem Burkaverbot könnten da bald weitere folgen.

Bild: privat

MATTHIAS LOHRE ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz, dort unter anderem zuständig für die FDP.

Doch das ist nicht die einzige Gefahr. Der neue starke Mann der FDP könnte nämlich bald Christian Lindner heißen. Der junge Generalsekretär ist bislang ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Er vermeidet es geschickt, das Image von der "Partei der Besserverdienenden" zu bedienen. Wo Westerwelle Ablehnung hervorruft, könnte er neue Wählergruppen gewinnen. Statt "sozial" benutzt er lieber das harmlos klingende Wörtchen "fair". Dahinter steckt nicht weniger als der Versuch, die Beziehungen zwischen Staat und Bürgern grundsätzlich neu zu bestimmen, Sozialkürzungen inklusive.

Kurz: Lindner steht für den gleichen Wirtschaftsliberalismus wie Westerwelle. Nur mit menschlicherem Antlitz.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
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8 Kommentare

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  • B
    bernard

    schon lustig, was sprach je für ihn? Aber heute, nachdem die Amerikaner ihren Unmut kundtun (Abzugstermin u.a.) und er auch dem Baron im Weg steht, ja dann, dann schreiben taz welt südeeutsche faz frankfurterrundschau uvm einen Abgesang.

     

    Lächerlich.

    Traurig taz

  • N
    Naskolnikov

    Ach, Herr Lohre.

    Das Problem (der FDP) ist doch nicht Westerwelle, sondern die Tatsache, daß kein Mensch diese inhaltlose Partei braucht, außer den Möwenpickern und den "besserverdienenden Schnöseln (Autorenrechte: taz)".

     

    Ob mit oder ohne Westerwelle: die FDP wird stabil bleiben. Bei 4 %.

    Entsetzlicherweise haben die anderen Parteien genausowenig erkennbares Profil. "Power corrupts the best" (Bakunin). Sind das wirklich die Besten? Wenn dem Minister für Zustände, wie sie im Krieg sind, als Reaktion auf den angeblichen Unfalltod eines Soldaten nur das Statement "Es ist gut, daß wir hier sind" einfältig einfällt, kann man nur mit Heinrich Heine denken. Und das nicht nur in der Nacht.

  • JS
    Johan Schreuder

    Hauptsache die schicken das A....... rössler zurück wo immer der auch herkommt.

  • R
    russe

    ....Ostenstille

  • A
    Amos

    Es ist müßig darüber zu diskutieren. Der Jeder-ist-sich- selbst- der Nächste Liberalismus muss weg. Man sieht ja,was der, allein in Europa, angerichtet hat. Je krimineller das Wesen des Menschen, desto reicher kann er sich bei diesem System machen, "ohne dass die Polizei kommt". Und Lindner gehört zur FDP, darum ist er auch nicht besser, als der Rest der Partei,-nur verhaltener.

  • L
    Letterman

    Die Burka-kritische Position von Silvana KM mit den antisemitischen Eskapaden des Jürgen "Ibn" Möllemann gleichzusetzen ist für meinen Geschmack zu stark pauschalisiert.

  • K
    Kerzenlicht

    Lindners Wortwahl erinnert mich an das Programmm der Reps. Die reden auch immer von fair, besonders bei Löhnen. Was sie darunter verstehen, sagen sie aber nicht.

  • I
    ich

    An einem Burka-Verbot finde ich nichts "populistisch". Die Burka kann doch auch weiterhin getragen werden - zum Beispiel in Saudi-Arabien oder in Afghanistan. Wer seine Frau/Schwester gerne darin verhüllt sehen möchte, bitte.