Kommentar Wahlen in Ägypten: Mehr Hoffnung ohne Hardliner
Die Entscheidung der Wahlkommission, die drei Topkandidaten für das ägyptische Präsidentenamt zu disqualifizieren, hinterlässt widersprüchliche Eindrücke.
N un ist es also endgültig. Die drei Topkandidaten für das Amt des ägyptischen Präsidenten wurden von der Wahlkommission disqualifiziert. Der Muslimbruder Kheirat al-Schater, der Salafist Hazem Abu Ismail und der Mann des alten Regimes, Mubaraks Geheimdienstchef Omar Suliman –, sie alle haben die formalen Kriterien für eine Kandidatur nicht erfüllt.
In der Einschätzung dieser Disqualifikationen sind die Meinungen naturgemäß geteilt. Liberale, aber auch christliche Kopten sind erleichtert, dass ihr politischer Albtraum Abu Ismail und dessen Scharia-Projekt ein Ende haben und auch die moderateren Muslimbrüder geschwächt sind. In der revolutionären Tahrir-Ecke ist man froh, dass man mit Omar Suliman als Präsident nicht gleich alle revolutionären Träume an den Nagel hängen kann.
Übrig bleiben aussichtsreiche Kandidaten, die weniger polarisieren. Etwa der als Elder Statesman auftretende ehemalige Chef der Arabischen Liga, Amru Musa, oder der Muslimbruder-Aussteiger Muhammad Abdel Fotouh, der islamisches mit liberalem Gedankengut zu vereinen sucht und der vom ersten Tag an auf dem Tahrirplatz dabei war.
ist taz-Korrespondent in Kairo.
Vor allem die Islamisten sehen dagegen in der Entscheidung ein Komplott des herrschenden Militärrates. Verbreitet ist auch die Theorie, dass die Kandidatur Omar Sulimans in allerletzter Minute und dessen späterer Ausschluss ein abgekartetes Spiel des Militärrates sei.
Wie wird nun die Straße reagieren? Und was bedeutet die Entscheidung der Kommission für die Legitimität des künftigen Präsidenten? Das sind nur zwei der zahlreichen Widersprüche, mit denen Ägypten beim Wandel von einer Diktatur zu einer Demokratie zurechtkommen muss.
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