Kommentar Wahl in Sizilien: Eine radikale Absage
Kein Linksruck, sondern eine Abstrafung des Berlusconi-Lagers: Die Wahl des Anti-Mafia-Aktivisten Crocetta in Sizilien ist trotzdem historisch.
W ahrhaft historisch sei der Ausgang der Regionalwahlen in Sizilien am letzten Sonntag, befanden unisono zahlreiche Vertreter der italienischen Linken. Und wer wollte ihnen widersprechen? Auf jener Insel, die über Jahrzehnte von Christdemokraten regiert wurde, die im besten Falle durch Klientelpolitik, im schlechteren Fall durch allzu große Nähe zur Cosa Nostra auffielen, wurde jetzt mit Rosario Crocetta ein stramm linker Anti-Mafia-Aktivist, der dazu noch bekennender Schwuler ist, zum Gouverneur gewählt.
Abgestraft wurde dagegen das Berlusconi-Lager, das sich – nicht nur in Sizilien – im freien Fall befindet. Italiens Rechte zerfasert und zersplittert. Davon profitiert die Linke, doch auch wenn sie die Wahl gewonnen hat, ist das alles andere als ein triumphaler Sieg. Denn Crocetta konnte nur gut 30 Prozent der Stimmen erreichen; der Zugewinn gegenüber den Wahlen von 2008 liegt akkurat bei null. Dies gilt umso mehr, als die Wahlbeteiligung dramatisch eingebrochen ist.
Nicht ein Linksruck war recht besehen zu verzeichnen, sondern die radikale Abwendung der Wähler von den bisherigen Parteien. Nicht einmal die Hälfte der Bürger fand überhaupt noch in die Wahllokale – und 18 Prozent wählten dann den wahren Triumphator: den Kandidaten des „MoVimento 5 Stelle“ (M5S). Die vom Starkomiker und Politaktivisten Beppe Grillo angeführte Protestbewegung ist in Sizilien deutlich schwächer als im Rest des Landes – selbst ein Resultat von 25 Prozent für M5S bei den nächsten nationalen Wahlen spätestens im April 2013 erscheint damit möglich.
ist Italien-Korrespondent der taz.
Italien steht vor einem radikalen Umbruch. Eine zerfaserte Rechte im Niedergang, eine Linke mit guten Siegchancen, doch ohne stabile Mehrheit im Parlament, ein erdrutschartiger Erfolg der Antiparteien-Partei M5S werden wohl auch den nächsten nationalen Urnengang prägen. Alles wird anders sein – und gerade deshalb wird es dann womöglich weitergehen wie bisher: mit einer Regierung Monti.
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