Kommentar Wahl auf Zypern: So schön langweilig
Halb Europa wählt rechts. Nicht so die Zyprioten, obwohl es auch ihnen dreckig geht. Dafür hat das Land eine Belohnung verdient.
D emokratie kann ganz schön langweilig sein. Wenn über Jahrzehnte hinweg immer die gleichen Parteien um den Sieg wetteifern, wenn immer dieselben Themen den Wahlkampf bestimmen, dann entsteht der Eindruck, diese Wahlen dienten nur noch der Selbstvergewisserung.
Zypern ist so ein Land, in dem sich die Ergebnisse immer wieder ähneln, so auch bei den Parlamentswahlen am Sonntag, bei der die Konservativen den Sieg von den Postkommunisten einfuhren. Doch Zypern ist auch ein Beispiel dafür, dass diese Art von Wiederholungen von einer demokratischen Stabilität zeugt, die anderswo schmerzlich vermisst wird. Halb Europa wendet sich derzeit rechten Populisten zu, im Fall von Griechenland gar den Neonazis.
Das kleine Zypern verfügt über alle Beigaben, den Griechen zu folgen: Vor drei Jahren krachte das Bankensystem zusammen, der Staat stand vor der Pleite und konnte nur mit einem schmerzhaften EU-Hilfsprogramm gerettet werden. Ersparnisse wurden über Nacht vernichtet, die Arbeitsloskeit stieg in nie gekannte Höhen, Einzelhändler kollabierten. Die Angst wuchs.
Dass die zypriotischen Rechtsradikalen und Populisten zwar ins Parlament einziehen, aber trotzdem wenig bedeutend geblieben sind, ist den Zyprioten, nicht der EU, zu verdanken. Sie beugten sich dem EU-Sparprogramm, aber anstatt nach Athener Muster Steuern und Abgaben ins Unbezahlbare zu erhöhen und den bürokratischen Wildwuchs beizubehalten, haben sie gespart. Das hat vielen weh getan, sehr weh. Längst ist noch nicht alles gut, aber es geht wieder bergauf.
Zypern ist der Beweis dafür, dass die griechische Krise kein unabwendbares Unglück ist. Es liegt auch an der Politik in den Krisenstaaten, wenn das eine Land kollabiert, das andere sich aber aus dem Desaster kämpft. Für letztere Leistung hätten die griechischen Zyprioten die Belohnung verdient, die sie sich gerade erarbeiten: eine Wiedervereinigung des Landes nach mehr als 40 Jahren der Teilung.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell