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Kommentar Wahl IslandAuf Wiedersehen, Europa

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Isländer nun die Brandstifter, die das Land ins Unglück gesteuert hatten, wieder ans Ruder wählen.

W er die Drecksarbeit macht, kann nicht mit Dankbarkeit rechnen. Unerwartet ist es daher nicht, dass die IsländerInnen die Regierungsparteien, die nach dem Finanzcrash von 2008 auch zu unpopulären Maßnahmen gezwungen waren, bei der Parlamentswahl abstraften und in die Opposition schickten.

Wundern darf man sich trotzdem. Keines der europäischen Krisenländer wurde so erfolgreich aus einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise manövriert wie Island. Die rot-grüne Regierung ließ den Sozialstaat einigermaßen intakt und steuerte einen Kurs, der dem Land derzeit die niedrigsten europäischen Arbeitslosenraten und ein relativ hohes Wachstum bescherte.

Das Wahlergebnis drückt aber aus, dass die meisten IsländerInnen solche europäischen Vergleiche nicht ziehen, sondern ihre private Haushaltslage mit der vor dem Jahre 2008 vergleichen. Und der Vergleich fällt meist negativ aus.

Bild: privat
REINHARD WOLFF

ist taz-Korrespondent für Skandinavien und das Baltikum.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Isländer nun die Brandstifter, die mit ihrem Liberalisierungskurs das Land ins Unglück gesteuert hatten, wieder ans Ruder wählen. Immerhin können diese ähnlichen Schaden erst einmal nicht mehr anrichten, weil Rot-Grün die Banken mittlerweile an die Leine gelegt hat.

Unzweideutig ist die Absage der IsländerInnen gegenüber der EU. Die Sozialdemokraten, die einzig noch verbliebene EU-freundliche Partei der Insel, erlitt gleichzeitig die empfindlichste Niederlage. Die Wahl von Parteien, die die Beitrittsverhandlungen gar nicht erst zu Ende führen werden, ist angesichts der in den letzten Jahren – Stichwort „Icesave“ – wieder stark angewachsenen EU-Skepsis nur folgerichtig. Brüssel dürfte dies mit Bedauern zur Kenntnis nehmen: Anders als erhofft wird die EU nun über Island erst mal keinen Fuß in die Tür zur Arktis bekommen.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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4 Kommentare

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  • E
    Eumel

    Wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich mich auch nicht von einer undemokratischen EU-Kommission regieren lassen. Vielleicht sollten wir die Entwicklung in Island dazu nutzen, die Machtverteilung in der EU zu überdenken.

  • UM
    Ullrich Mies

    @winston smith

     

    Bester Winston,

     

    leider stimmt es nicht ganz mit Deiner Kapitalismus-Darstellung.

    Denn das Wichtigste für "die Kapitalisten" bzw. ihre Claqueure in den Regierungen

    ist "Freiheit", die Freiheit als Ideologie. Sie labern immer von Freiheit:

     

    Freiheit von allem, was mich beschränkt, Profite zu wessen Lasten auch immer, zu erwirtschaften.

     

    Freiheit als grenzenzlose Freiheit zur Bereicherung.

    Vor kurzer Zeit schrieb der neoliberale Oberschreiber der SZ Marc Beise in einer peinlichen Überschrift:

    "Reichtum ist Ausdruck von Freiheit".

     

    Ich schrieb ihm:

     

    "Die Freiheit, von der die Neoliberalen stets schwadronieren, ist nicht die Freiheit aller von oder vor Unterdrückung und das Recht auf Glück, sondern die „Freiheit“ von Minderheiten, sich auf Kosten der Allgemeinheit hemmungslos bereichern zu dürfen."

  • D
    Dasha

    "Auf Wiedersehen, Europa"

     

    Müsste das nicht eher EU heißen? Ich glaube kaum das die Isländer gegen Europa sind (auch wenn Reykjavik auf der nordamerikanischen Platte liegt).

     

    Ich habe auf jeden Fall großen Respekt vor den Isländern. Immerhin kann man sich dort noch gegen die EU entscheiden, hier ist das ja nicht mehr möglich.

  • WS
    winston smith

    Mensch taz, der "Brandstifter", der die Welt "ins Unglück steuert", nennt sich Kapitalismus, das sind nicht irgendwelche albernen Parteien. Krisen, Ausbeutung, Unterdrückung und Opportunismus sind in einem System, das auf Profit basiert und in dem einzelne Macht bekommen (die immer zum eigenen Wohl ausgenutzt werden wird) von Grund auf angelegt. Dem Profit ist das Soziale egal, dem Profit ist die Umwelt egal, dem Profit ist die Freiheit egal.

    Das sollte doch eigentlich mittlerweile jede_r begriffen haben, nach so vielen Jahren...