Kommentar Wahl Island: Auf Wiedersehen, Europa
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Isländer nun die Brandstifter, die das Land ins Unglück gesteuert hatten, wieder ans Ruder wählen.
W er die Drecksarbeit macht, kann nicht mit Dankbarkeit rechnen. Unerwartet ist es daher nicht, dass die IsländerInnen die Regierungsparteien, die nach dem Finanzcrash von 2008 auch zu unpopulären Maßnahmen gezwungen waren, bei der Parlamentswahl abstraften und in die Opposition schickten.
Wundern darf man sich trotzdem. Keines der europäischen Krisenländer wurde so erfolgreich aus einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise manövriert wie Island. Die rot-grüne Regierung ließ den Sozialstaat einigermaßen intakt und steuerte einen Kurs, der dem Land derzeit die niedrigsten europäischen Arbeitslosenraten und ein relativ hohes Wachstum bescherte.
Das Wahlergebnis drückt aber aus, dass die meisten IsländerInnen solche europäischen Vergleiche nicht ziehen, sondern ihre private Haushaltslage mit der vor dem Jahre 2008 vergleichen. Und der Vergleich fällt meist negativ aus.
ist taz-Korrespondent für Skandinavien und das Baltikum.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Isländer nun die Brandstifter, die mit ihrem Liberalisierungskurs das Land ins Unglück gesteuert hatten, wieder ans Ruder wählen. Immerhin können diese ähnlichen Schaden erst einmal nicht mehr anrichten, weil Rot-Grün die Banken mittlerweile an die Leine gelegt hat.
Unzweideutig ist die Absage der IsländerInnen gegenüber der EU. Die Sozialdemokraten, die einzig noch verbliebene EU-freundliche Partei der Insel, erlitt gleichzeitig die empfindlichste Niederlage. Die Wahl von Parteien, die die Beitrittsverhandlungen gar nicht erst zu Ende führen werden, ist angesichts der in den letzten Jahren – Stichwort „Icesave“ – wieder stark angewachsenen EU-Skepsis nur folgerichtig. Brüssel dürfte dies mit Bedauern zur Kenntnis nehmen: Anders als erhofft wird die EU nun über Island erst mal keinen Fuß in die Tür zur Arktis bekommen.
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