Kommentar Vorwahl New Hampshire: Ein Sieg für alle restlichen Wähler
Hillary Clinton hat ein bemerkenswertes Comeback eingefahren. Ihr Sieg in New Hampshire ist aber vor allem eine gute Nachricht für alle restlichen Wähler - ihre Stimmen haben wieder Gewicht.
V ielen schien Hillary Clintons Position schon kurz nach der ersten Vorwahl aussichtslos. Nach Obamas Überraschungssieg in Iowa, seinen völlig überfüllten Wahlkampfauftritten und grandiosen Umfrageergebnissen begann sich ein Durchmarsch des Senators aus Illinois abzuzeichnen. In Clintons Wahlkampfteam sah man schon Köpfe rollen, Gerüchte machten die Runde, ihre Kampagne hätte sich finanziell verpokert - da war es nur logisch, dass Wetten darauf abgeschlossen wurden, wann Hillary aufgibt.
Veit Medick, 27, ist Volontär bei der taz.
Und jetzt das. Hillarys Comeback-Sieg in New Hampshire dürfte nicht nur die Obama-Kampagne geschockt haben. Auch viele junge Amerikaner, deren Herzen Obama mit seinem geschickten Wechsel-Mantra und seiner unverwechselbaren Aura im Sturm erobert hatte, wurden am Dienstag jäh aus ihren Träumen gerissen. An einen Durchmarsch ist erstmal nicht zu denken, die Arbeit beginnt von vorne. In Hillarys Truppe hingegen bricht sich frische Euphorie Bahn. Offensichtlich hat sich ihr Anflug von Menschlichkeit vor einigen Tagen ausgezahlt. Schon liest man, sie werde ihr Wahlkampfteam nun mit zusätzlichen Beratern ausstatten, eine weitere gigantische Spendenkampagne starten und ihre Strategie stärker auf Angriff ausrichten.
Doch nicht nur Hillary sollte für das Votum aus New Hampshire dankbar sein. Die zweite Vorwahl hat ganz Amerika einen großen Dienst erwiesen. Nicht etwa, weil Hillary die bessere Kandidatin der Demokraten wäre. Aber mit ihrem Sieg ist das Rennen der Demokraten wieder völlig offen - und verleiht damit all den restlichen Amerikanern, die bislang noch keine Wahlmöglichkeit hatten, ihr rechtmäßiges Gewicht. Womöglich wären die Demokraten letztlich böse auf die Nase gefallen, wenn zwei kleine, in ihrer sozialen Zusammensetzung unrepräsentative Staaten wie Iowa und New Hampshire eine Sogkraft in Gang gesetzt hätten, die den Ausgang des Rennens allzufrüh vorgezeichnet hätte.
Stattdessen eröffnet Clintons Sieg den Spielraum für einen echten Konkurrenzkampf zweier Kandidaten. Beide werden strategische Korrekturen vornehmen müssen - der beeindruckende Obama, der nun die Chance hat, seine inspirierende Rhetorik von Einheit statt Polarisierung endlich mit politischen Inhalten zu versehen - und die wiederauferstandene Hillary Clinton, die zwar erfahren ist, deren stromlinienförmige Professionalität manchen aber fast ein bisschen unheimlich war.
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