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Kommentar VorratsdatenspeicherungDeutschland ist erfreulich widerständig

Ruth Reichstein
Kommentar von Ruth Reichstein

Die Regierung hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht umgesetzt und wird nun verklagt. Wahrscheinlich wird sie trotzdem nicht zahlen müssen.

D ie Frist ist abgelaufen. Deutschland muss nun definitiv mit einem Vertragsverletzungsverfahren rechnen, weil es die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht in nationales Recht umgesetzt hat.

So wollen es die EU-Verträge: Hält sich ein Land nicht an die gemeinsam Vverabschiedeten Regeln, wird es von der Hüterin der Verträge, der Europäischen Kommission, verklagt und muss – nach einem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs – ein Bußgeld bezahlen.

In diesem Falle sollte sich die deutsche Bundesjustizministerin von der Drohung aber nicht beeindrucken lassen. Die Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat ist nicht nur in Berlin umstritten. Und Deutschland ist nicht der einzige EU-Staat, der die Richtlinie bis jetzt noch nicht umgesetzt hat.

Bild: taz
Ruth Reichstein

ist EU-Korrespondentin der taz.

Auch Schweden, die Tschechische Republik und Rumänien sind skeptisch. In Rumänien hat – wie in Deutschland – das Verfassungsgericht die Richtlinie kassiert. Irland hat die Richtlinie zwar befolgt, doch gleichzeitig beim Europäischen Gerichtshof angefragt, ob die Datenspeicherung tatsächlich mit dem Europäischen Datenschutz vereinbar ist. Das Urteil steht noch aus.

Dank der Mühlen der Verwaltung Und sogar die Europäische Kommission selbst zweifelt an der eigenen Richtlinie: Sie hat im vergangenen Jahr eine Untersuchung eingeleitet, die zeigen soll, ob die Datenspeicherung überhaupt etwas bringt. Im Sommer will die Behörde dann entscheiden, ob die bestehende Richtlinie überarbeitet werden soll.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sie die Vorratsdatenspeicherung ganz über den Haufen wirft, aber sobald eine Revision der Richtlinie eingeleitet wird, werden Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt. Deutschland riskiert also recht wenig, wenn es sich noch etwas Zeit lässt mit der Umsetzung. Denn Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof dauern in aller Regel länger als zwei, drei Monate. Und Strafzahlungen werden bis dahin nicht fällig.

Auch Deutschland hat 2006 der EU-Vorratsdatenspeicherung zugestimmt. Aber Politiker sollten den Mut haben, Regeln in Frage zu stellen, wenn sie – sechs Jahre nach der Einführung – an deren Sinn zweifeln. Drohende Strafzahlungen dürfen das nicht verhindern.

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Ruth Reichstein
Auslandskorrespondentin EU
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7 Kommentare

 / 
  • B
    Bachsau

    Deutschland hätte diesen Vertrag nie unterzeichnen dürfen. Aber damals hat man sich gedacht, man könne über des Volkes Köpfe hinweg entscheiden, und dafür zahlt man jetzt den Preis. Und ich will hier keine Vorratsdatenspeicherung, weder ganz noch teilweise.

  • PL
    Peter Lustig

    @Gast Welcher Verfassung??

    Deutschland besitzt keine Verfassung und komme mir bitte nicht mit dem Grundgesetz. Daher kann und wird die EU tun un lassen was Sie will. Die Politiker wissen es und sagen nichts, Sie halten uns für Blöd. Wenn ich das auch ungerne sage, ja wir sind Blöd. Wir glauben das was man uns sagt, wenn wir uns wehren kommen Sie schon mit der Staatsgewalt. Merkt ihr den nicht das wir bereits in einer Diktatur leben??

    Die hiesige Regierung ist ein Kasperletheater, angefangen von unserer ach so heiß geliebten Bundeskanzlerin. Die im Endefekt versucht Ihren Geistigen Dünschiss löszuwerden. Ach wie toll!!.

     

    Mensch Leute wacht endlich auf und käpft für eure Rechte !!!

  • S
    Spain

    "Wie kann es sein, dass die EU Deutschland zwingen will, eine Regelung umzusetzen die mit der deutschen Verfassung nicht vereinbar ist ?!"

    "@Gast: Gemäß EU-Auffassung ist EU-Recht höherrangig als nationales Recht."

     

    Klingt tatsächlich absurd. Wenn die EU berechtigt ist, unser Grundgesetz aufzuheben(das englische 'override' hatte ich zuerst im Sinn), könnte die ganze EU ja glatt annulliert werden. Denn (habs leider nicht nachgelesen...) ich bin sicher, dass in unserem Grundgesetz der eine oder andere Paragraph enthalten ist, welcher verhindert, dass das Grundgesetz abgeschafft oder sonstwie ausgehebelt wird. Also wenn die EU gemäß eigenem Recht über unserer Verfassung steht, hätte Deutschland diesem zusammenschluss gemäß eigenem Grundgesetz garnicht zustimmen dürfen.

    Dass dies nun trotzdem geschehen ist, macht nichts. Denn wenn ich das damals in der Uni bezüglich Aussagenlogik richtig verstanden habe, fällt alles wie eine Dominokette in sich zusammen und die EU ist ungültig, weil sie von vornherein nicht Grundgesetzkonform war. Sont gäbe es jetzt nicht diese Situation, dass wir für Verfassungskonormes Handeln bestraft werden sollen.

    Normale Verträge sind ja auch unwirksam, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen.

     

    Naja, so hab ich mir das zumindest überlegt. Würde mich nicht wundern wenn jemand einen Fehler in meiner obigen Logik findet, und dann würde meine Argumentation in sich zusammen fallen, nicht die EU. ;)

     

    Aber trotzdem: Es bleibt paradox, dass sich ein Staat bestrafen lassen kann, weil er nicht gegens Grundgesetz verstoßen hat.

    Dürfen wir diese Strafe überhaupt zahlen? Es wäre doch einem Schuldeingeständnis gleich, zu zahlen, obwohl unsere Verfassung uns doch sagt, dass wir alles richtig gemacht haben.

     

    spain

  • SB
    Siegfried Bosch

    @Gast: Gemäß EU-Auffassung ist EU-Recht höherrangig als nationales Recht. Diese Regelung, welche von den EU-Institutionen eigenmächtig aufgestellt wurde (insbesondere vom Europäischen Gerichtshof), ist aber umstritten, bisher hat es Karlsruhe nie auf einen Konflikt ankommen lassen, sondern ist strittige Fälle immer umgangen.brOT

  • G
    Gast

    Wie kann es sein, dass die EU Deutschland zwingen will, eine Regelung umzusetzen die mit der deutschen Verfassung nicht vereinbar ist ?!

  • P
    p3t3r

    ist das nicht sehr viel kriminelle energie sich so zuverhalten, das man (staat) auch noch versucht an der bestrafung vorbei zukommen.....haha

     

    wenn wir bürger uns so verhalten gibts aber heftig eins auf den kopf

  • H
    Humbug

    Die EU-Kommission droht mit einer Klage für eine Sache, an der sie selbst zweifelt!? Leben wir hier eigentlich in einem riesigen Irrenhaus? Im Zweifel immer für den "Angeklagten". Die hiesige Regierung sollte sich von der "durchgefütterten Kommission nicht ins Bockshorn jagen lassen. Wenn die EU über die Länder-Gesetze bestimmen kann, dann könnte man ja auch die Verfassung in den jeweiligen abschaffen. Am besten man schafft die Länder ganz ab und macht ein "europäisches Babylon".